Als Kommune den richtigen Rahmen schaffen

Als Bürgermeister*innen, Kommunalvertreter*innen und Verwaltungsangestellte sind Sie – anders als Privateigentümer*innen – von jeher dem Gemeinwohl verpflichtet. Die gemeinwohlorientierte Bestandsentwicklung ist ein wirkungsvolles Mittel, diese Verantwortung im besten Sinne wahrzunehmen. Damit solche Projekte gelingen, müssen sie von intrinsisch motivierten Personen mit Know-How getragen werden. Hier lesen Sie, wie Sie selbst den richtigen Rahmen für neue Herangehensweisen und Prozesse schaffen können.

Auf dieser Seite

…erfahren Sie, welchen Rahmen es braucht, um die gemeinwohlorientierte Bestandsentwicklung zu erleichtern. Sie erfahren, welche Bedingungen die Kommunen selbst schaffen können und welche Rahmenbedingungen Landes- und Bundespolitik herstellen müssten, um den Prozess künftig zu erleichtern.


Interviewte: Christin Neujahr -
Externe Expertise einholen

Es gehören gute Beispiele und Kollegen dazu, die es schon machen und die davon berichten, dass es gar nicht so schwer ist, wenn man einmal diese Richtung eingeschlagen hat.

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Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

Kurz gesagt:

  • 1

    Anlaufstellen in Kommune und Region schaffen.

  • 2

    Wissensvermittlung und Erfahrungsaustausch ermöglichen.

  • 3

    Förderkulissen und Bodenpolitik umbauen.

  • Zehn Einfamilienhäuser von heute sind zehnmal Leerstand von morgen.

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    Chris Szallies / Stadtplaner im Bauamt Stadt Angermünde

    Ein Schlüssel für erfolgreiche Projekte ist neben Zeit und Geld auch eine ermöglichende Kultur und das passende Umfeld. Hier haben Bürgermeister*innen und Verwaltungen einen großen Einfluss und das Heft des Handelns selbst in der Hand, denn sie sind die treibende Kraft für Innovationen in der Kommune. Ihre Haltung zu gemeinwohlorientierter Immobilienentwicklung ist ausschlaggebend für den Erfolg ebensolcher Projekte. Sie können ihre Verwaltungen zum ressortübergreifenden Arbeiten in der Unterstützung experimenteller Projekte motivieren. Mit Ihrer Rückendeckung können unkonventionelle Lösungen erarbeitet und neue Methoden erlernt werden.

    Die richtige Figur im Amt.

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    Carla Kniestedt / Abgeordnete im Brandenburger Landtag

    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    Eine positive Haltung der Stadtspitze gegenüber neuen Akteuren ist zentral und es ist ein Muss, der Verwaltung Signale zu geben, dass man diese mitnimmt. Projekte, die aus der Zivilgesellschaft kommen, sind nicht ganz einfach zu bearbeiten, aber die brauchen wir. Wenn diese Ansage nicht kommt, dann gelten solche Projekte als viel zu kompliziert für die Verwaltung und man würde sie sonst am langen Arm verhungern lassen.

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    Stephan Willinger / Stadtinnovationsforscher

    BBSR/ Nationale Stadtentwicklungspolitik

    Die Grundvoraussetzung für Handlungsspielraum in Sachen gemeinwohlorientierter Bestandsentwicklung ist, dass die Kommune Gebäude besitzt. Nachdem viele Kommunen aufgrund finanzieller Engpässe in den letzten Jahrzehnten ihre kommunalen Immobilien verkauft haben, gehen mittlerweile viele Bürgermeister*innen dazu über, Gebäude zurückzukaufen um Einfluss auf ihre Nutzung zu nehmen. Das empfehlen wir jeder Gemeinde, jeder Stadt, denn es zahlt sich aus (siehe Potenziale). Sollte doch einmal verkauft werden, kann nicht die Verkaufssumme einziges Kriterium sein, sondern der potenzielle Mehrwert für's Gemeinwohl, den die künftigen Nutzer*innen erzeugen. Immobilien per Konzeptverfahren zu vergeben und statt dem Verkauf ggf. eine Erbbaupacht in Betracht zu ziehen, ist sehr ratsam.

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    Warum Konzept vor Geld stehen sollte

    Wo ungewohnte Prozesse gelingen, stehen Menschen mit einem erhöhten Grad an Vertrauen und Experimentierfreude dahinter. Ein produktiver Umgang mit Fehlschlägen geht mit dem Verständnis einher, dass es auch mal länger dauern kann und wichtige Grundlagenarbeit nicht über Nacht passiert. Identifizieren Sie die aufgeschlossenen Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung und helfen Sie Ihnen dabei, sich in zukunftsfähigen Projekten engagieren zu können. Schaffen Sie Freiräume und ermöglichen Sie die Teilnahme an Konferenzen – diese finden vermehrt online statt und nehmen selten mehr als einen Vormittag in Anspruch. Im besten Fall unternehmen Sie eine Lernreise und besuchen inspirierende Projekte vor Ort und starten den Austausch mit anderen Kommunen. Nichts ist wertvoller, als Praxisbeispiele kennenzulernen sowie die Menschen und Prozesse dahinter zu verstehen.

    Meines Erachtens muss dieses Thema schon im Rahmen der Verwaltungsausbildung einfach auch grundsätzlich dazugehören. Beim Thema Liegenschaften und Immobilien da gibt es ja auch eine Rechtssparte, worin Kommunalbeamte ausgebildet werden, dann gehört das mit dazu: die gemeinwohlorientierte Entwicklung.

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Ob Immobilienbesitzer*innen, Initiativen oder Bürger*innen - sie alle brauchen eine Anlaufstelle, wo Angebote und Nachfragen von Immobilien gebündelt, Interessensbekundungen platziert und Besichtigungen koordiniert werden können. Für die Kommunalverwaltung ist es zudem wichtig, Potenzialorte kontinuierlich zu identifizieren und auf dem neuesten Stand zu sein, was Förderprogramme für Immobilienentwicklung und Prozessbegleitung angeht. Für all das braucht es Kapazitäten, die nicht neben dem „eigentlichen Job“ erledigt werden können. Denn das erzeugt schnell Frust und Überlastung. Wenn Sie für eine solche Stelle kein Budget haben, erkundigen Sie sich bei anderen Kommunen, ob diese auch Interesse an einer Anlaufstelle für gemeinwohlorientierte Bestandsentwicklung haben. Vielleicht kann man sich zusammenschließen und die Personalkosten teilen?

    Als Ideengeber muss man ansprechbar sein.

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    Marco Beckendorf / Bürgermeister

    Wiesenburg/Mark

    Viel wird einfach nicht genehmigt, weil die Leute gar nicht verstehen können, was da passiert. Die Projekte sind so anders und die Beamten so überlastet, dass sie sich gar nicht genug informieren können, um das alles zu verstehen.

    Hans van Leeuwen / Eigentümer

    Kühlhaus Görlitz

    Es ist wichtig, dass sich Ihre Projekte gut in ihre Region integrieren und die Menschen vor Ort dem Vorhaben Akzeptanz und ggf. Begeisterung entgegenbringen. Unterstützer*innen können Sie schnell bei den bereits ansässigen Vereinen und Initiativen finden, die sich oft über neue Entwicklungen freuen und gute Kontakte in die Region haben. Wenn es später um Beteiligungsprozesse geht, können Sie davon profitieren und bereits frühzeitig herausfinden, wo ein Mehrwert für Viele in der Region zu finden ist. Ein starkes Netzwerk unter allen Aktiven in Ihrer Region ebnet Wege - nicht nur für die Bestandsentwicklung.

    Man muss sich nicht immer mögen, aber die einen wie die anderen wollen den ländlichen Raum entwickeln, weil sie ihn mögen.

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    Carla Kniestedt / Abgeordnete im Brandenburger Landtag

    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    Hat Ihre Kommune ein integriertes Stadtentwicklungskonzept (INSEK) oder ein aktuelles Leitbild? Wenn nicht, dann bringen sie eines auf den Weg. Denn hier werden Fragen geklärt, die wichtig im Hinblick auf Leerstandsentwicklung und Stadtplanung sind:

    • Wohin soll sich Ihre Stadt entwickeln?

    • Wo sehen Sie Ihre Region in 10, 20 Jahren?

    • Welche Weichen müssen dafür gestellt werden?

    Sind diese Fragen beantwortet, lassen sich auch Schlüsselimmobilien und Nutzungskonzepte besser bestimmen und entwickeln. Arbeitshilfen dazu gibt es vom Land. Auch relevante Fördermittel von Bund und EU sind oft an das Vorhandensein eines INSEK oder Entwicklungskonzepts gebunden.

    Die Erarbeitung eines INSEK ist ein Prozess, den ganz viele Kommunen durchlaufen. Es entsteht ein abgestimmtes Zukunftskonzept, das letztlich auch für die Beantragung von Fördergeldern notwendig ist. Durch solche Planungsprozesse können sich die eigene Wahrnehmung der Kommune und sogar ihr Image verändern. Sie kann sich fragen: Wie kann ich neue Akteure einbinden? Und wie kann ich Leute, die vielleicht noch gar nicht in meiner Stadt wohnen, durch so einen Prozess anlocken?

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    Cordelia Polinna / Geschäftsführerin

    Forward Berlin

    Die Nutzung gemeinwohlorientierter Projekte sind einfach sehr flexibel und dafür sind weder Förderungen noch Baugesetze gemacht.

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    Larisa Tsvetkova / Vorstandsmitglied

    Netzwerk Immovielien

    Multifunktionale Orte vereinen verschiedene Stakeholder*innen und bieten einen großen Mehrwert für ihr Umfeld. Um sie in der Fläche zu ermöglichen braucht es:

    • Unterstützung der Behörden bei unkonventionellen Nutzungskonzepten

    • Neue Ideen und Flexibilität der Kommune in der Kooperation mit Nutzer*innen

    • Förderung der partizipativen Konzeption mit den Bürger*innen

    Damit sie ihre Wirksamkeit testen und optimieren können, sollten die Projekte für einen begrenzten Zeitraum von 3 – 5 Jahren von intensiver Vorplanung und umfassenden Genehmigungsverfahren befreit sein. Die Anwendung von temporären Genehmigungen, Experimentierklauseln oder die Eingrenzung auf bestimmte Gebäudebereiche schafft wichtige Freiräume für den Projektstart. Dabei müssen Sicherheitsstandards und Haftungsfragen geklärt sein.

    Einzelprojekte, die vor Ort keine attraktive Umgebung vorfinden, sind selten von langfristigem Erfolg. Potentielle Zuzügler*innen achten vor allem auf Kitas und Schulen, ein attraktives kulturelles Angebot, moderne und nachhaltige Wohnformen sowie die politischen Mehrheiten. Attraktive Arbeitsplätze und Arbeitgeber*innen sind nicht mehr die wichtigsten Auswahlkriterien – denn durch zunehmende Digitalisierung werden dezentrale Teams und Beschäftigungsverhältnisse zur neuen Normalität. Selbstständige sowie Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft bringen sogar Ihre Arbeit mit. Schaffen Sie daher Begegnungsräume und offene Treffpunkte, die mit Ihren Angeboten die verschiedenen Zielgruppen in den Blick nehmen. Auch Angebote wie spezielle Neusiedlerabende können das Ankommen vor Ort erleichtern und Kontaktbrücken bauen.

    Eins meiner Lieblingsbeispiele ist die Gemeinde Nebelschütz und der Bürgermeister Thomas Zschornack. Er macht keine aggressive Ansiedlungswerbung, sondern schafft die Rahmenbedingungen, die es braucht, damit jemand umzieht. Das heißt: Kulturangebot, Regionalladen, Kindergarten, Unterstützung junger cooler Unternehmen.

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    Claudia Muntschik / Beratung,Vernetzung,Ostsachsen

    Kreatives Sachsen

    Mit impulsstarken Projekten und kreativen Einwohner*innen können Sie positive Geschichten erzählen und mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Es gibt viele Kommunen, die mit Hilfe von Festivals, Gebäuden und Projekten überregional bekannt geworden sind und so auch neue Alleinstellungsmerkmale und touristische Angebote entwickeln konnten. Vernetzen Sie sich mit lokalen und überregionalen Netzwerken und werden Sie Mitglied in passenden Initiativen. Noch besser: Gehen Sie raus! Lernen Sie Ihre Zielgruppe kennen und verstehen Sie, wie diese ticken. So können Sie mit Hilfe von passgenauen Kampagnen für Ihren Ort oder Region werben. Bleiben Sie sich dabei treu und übertragen Sie keine Konzepte, die nicht zu Ihrer Region passen. Mittlerweile haben sich viele Kommunen auf den Weg gemacht und werben um innovative Projekte, Konzepte, Fachkräfte und Fördermittel - bleiben Sie dabei authentisch.

    Ein entscheidender Treiber ist, dass man ein Verständnis dafür hat, wie Kreativwirtschaft funktioniert. Das gewinnen Bürgermeister nur über Netzwerke, in denen viele Kreative dabei sind.

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    Marco Beckendorf / Bürgermeister

    Wiesenburg/Mark

    Empfehlungen an Landes- und Bundespolitik

    Für eine aktivierende Regionalentwicklung müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Daher richten wir uns in diesem Abschnitt an Bundes- und Landespolitik und geben wichtige Handlungsempfehlungen für rechtliche Leitplanken und passende Förderprogramme.

    Die Politik hat die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sich die Menschen, die im ländlichen Raum leben, wirklich selbstbewusst vertreten fühlen.

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    Carla Kniestedt / Abgeordnete im Brandenburger Landtag

    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    Boden langfristig sichern

    Oftmals scheitern gemeinwohlorientierte Entwicklungsvorhaben an der mangelnden Verfügbarkeit von Boden. Das zu ändern, dafür setzt sich das Netzwerk Immovielien ein. Um Prozesse zu vereinfachen und zum Wohle der Kommunen beschleunigen zu können, fasst das Netzwerk Immovielien vier wichtige Punkte in ihrem Abschlussstatement der “GemeinGut Stadt Konferenz” vom 12.Oktober 2021 zusammen:

    "Damit Kommunen vermehrt Zugriff auf Grundstücke erhalten und stärker gegen Spekulationen mit Boden und Immobilien vorgehen können, muss das kommunale Vorkaufsrecht deutlich gestärkt werden. (...)"

    "Grund und Boden muss zu Konditionen gehandelt werden, die bezahlbaren Wohnraum sowie eine lokale, kulturelle, gewerbliche und soziale Infrastruktur ermöglichen. (...) Außerdem müssen leistungslose Gewinne und Spekulationsanteile bei Verkäufen unter Privaten durch geeignete Steuern oder Abgaben über die öffentliche Hand an die Gesellschaft zurückgeführt werden."

    "Kommunen sollten Grundstücke in ihrem Eigentum behalten und wenn, dann überwiegend per Konzeptvergabe im Erbbaurecht vergeben, statt sie zu verkaufen. (...) Konkret gelänge dies durch:

    • die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei dem Erwerb und der Verlängerung eines Erbbaurechts durch Erbbaurechtnehmer*innen (...)

    • eine Besserstellung des Erbbaurechts bei der Kreditvergabe (Beleihungswertermittlungsverordnung)

    • Aufnahme der Vergabe von Erbbaurechten mittels Konzeptverfahren in den Katalog der nicht anmelde- bzw. notifizierungspflichtigen EU-Beihilfen.

    Gleichzeitig sollte gesetzlich klargestellt werden, dass in einem Erbbaurechtsvertrag, der die dauerhafte Absicherung einer gemeinwohlorientierten Nutzung zum Ziel hat, die Rechte des Erbbaurechtnehmers auf Bodenspekulation eingeschränkt werden können."

    "Die Transparenz am Boden- und Immobilienmarkt ist deutlich zu erhöhen, die faktische Intransparenz zu beseitigen. Hierfür sind das Grundbuch öffentlich zu machen (Wegfall des Erfordernisses «berechtigtes Interesse»), die Kaufpreise zu publizieren und ein Transaktionsregister für Immobiliengeschäfte aller Art einzurichten, inklusive Offenlegung der wirtschaftlich Berechtigten aller Unternehmen mit Immobilieneigentum."

    Es braucht gesetzliche Rahmenbedingungen, die als Grundlage für die Bodenpreis-Ermittlungen nicht mehr den Bodenrichtwert mit Spekulationsbestandteilen, sondern eine ertragswertorientierte Bodenwertermittlung heranziehen, die die zukünftige Nutzung anschaut und damit den Bodenpreis ermittelt.

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    Jörn Luft / Geschäftsstelle

    Stiftung trias

    Förderkulissen und Strukturen umbauen

    Damit Gemeinwohlorientierung auch in der Immobilienentwicklung als gemein- schaftliche Aufgabe gelingen kann, müssen ein bundesweites Verständnis und eine übergeordnete Strategie geschaffen werden. Damit können Förderungen direkt an Bebauungspläne und Dorfentwicklungskonzepte anknüpfen, die das Dorf als Gesamtheit und die Kreativität der Nutzer*innen und Bürger*innen im Prozess in den Blick nehmen.

    Die Förderkulissen sollten folgende Kriterien beinhalten:

    • Integration eines neuen sozialen Baukultur-Verständnisses in Bebauungspläne / Förderrichtlinien (durch sozial-gesellschaftliche Aspekte, wie vorangetrieben von der Bundesstiftung Baukultur)

    • (Vorrangiges) Fördern von Wohnen in genossenschaftlichen Konstrukten, auch jenseits sogenannter „Mobilitätsachsen“ und außerhalb von Speckgürtelregionen.

    • Darüber hinaus braucht es eine Bundes- und Landesstrategie für dörfliche und kleinstädtische Siedlungsstrukturen mit Fokus auf lokaler Daseinsvorsorge, um Zersiedelung und die Entstehung von Schlafsiedlungen zu verhindern.

    Auf der lokalpolitischen Seite braucht es engagierte Leute, die erkennen, dass die Bausubstanz, die Baukultur und alles was drumherum passiert ein sehr wichtiger Bestandteil der lokalen Identität sind.

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    Niklas Fanelsa / Architekt & Gründer

    Atelier Fanelsa

    Städte und Gemeinden sind im Kern dem Wohl der Bürger*innen verpflichtet. Die gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung hilft Kommunen dabei, dieser Pflicht nachzukommen. Doch oft führen finanzielle Engpässe der Kommunen – oder bloße Unkenntnis der leitenden Amtsinhabenden – dazu, dass Immobilien in kommunalem Besitz meistbietend an Privateigentümer verkauft werden, ohne die Verwendung zu prüfen oder festzuschreiben. Daher sollte die Gesetzgebung Kommunen verplichten, Immobilien, die größer als Einfamilienhäuser sind, standardmäßig per Konzeptverfahren zu veräußern und dabei Gemeinwohl-Kriterien anzulegen. Diese Verpflichtung sollte auch das Recht auf Beratung zum Konzeptverfahren beinhalten. 

    Konzeptvergabe müsste verpflichtend werden.

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Um gemeinwohlorientierte Projekte realisieren zu können, braucht es Förderinstrumente, die bereits in der Entwicklungsphase des Projektes greifen. Sowohl die Kommunen, als auch die Akteur*innen brauchen Begleitung und Professionalisierung. Die Projekte folgen keinem klassischen Schema, sondern sind individuell und oft komplex.

    Es wäre toll, wenn das Land Brandenburg den Gemeinden, die diesen Strukturwandel durchlaufen, zusätzliche Mittel beispielsweise für Beratungsleistungen zur Verfügung stellen würde.

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    Marco Beckendorf / Bürgermeister

    Wiesenburg/Mark

    Die Gemeinden die einem Strukturwandel unterliegen, sollten zusätzliche Mittel kriegen.

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    Marco Beckendorf / Bürgermeister

    Wiesenburg/Mark

    Für Kommunen, die im Fall einer Rückforderung von investierten Geldern nach einer gescheiterten Anhandgabe in Zahlungsschwierigkeiten kommen, wäre eine Förderung in Form eines Überbrückungskredites für die Gemeinde ein wirksames Instrument. Das würde es Kommunen erleichtern, Werkzeuge wie Konzeptvergaben und Anhandgaben einzusetzen.

    Wichtig ist es auch, dass Förderungen grundsätzlich passend sind für diejenigen, die sie in Anspruch nehmen wollen. Oft wird eine Absicherung der Förderung verlangt, die von den Fördernehmern nicht geleistet werden kann. Hier braucht es andere Strukturen.

    Wenn keine Verbesserung durch Dritte zu erwarten ist, müssen wir eine extreme Verschuldung in Kauf nehmen, um aus eigener Kraft den Wandel zu schaffen.

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    Marco Beckendorf / Bürgermeister

    Wiesenburg/Mark

    Es ist absurd zu sagen, ich stelle Fördermittel für Leute mit tollen Ideen aber ohne Kapital zur Verfügung und verlange dann eine Sicherung, wo die Leute nur sagen können: ‘Hey, ich hab doch kein Geld, wie soll das denn absichern?

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    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Um den zusätzlichen Aufwand, den komplexe Projekte mit sich bringen, aufzufangen, braucht es eine Koordinierungsstelle für gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung – entweder auf Stadt- oder Kreisebene. Bei dieser Anlaufstelle können viele wichtige Aufgaben zusammengeführt werden:

    • Bündelung von Leerständen, Identifikation von Potenzialräumen

    • Anlaufstelle für interessierte Käufer*innen (-gruppen)

    • Wissenstransfer zwischen Kommunen

    • Identifikation von und Beratung zu passenden Förderung

    Im Feld der gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung fehlen unabhängige Berater*innen und Angebote. Ähnlich wie Coaches könnten auch gemeinwohlorientierte Projektbegleiter*innen bspw. durch Beratungsgutscheine für Kommunen und Akteur*innen finanziert werden. Oder aber es wird eine landesweite Beratungsstelle aufgebaut, bspw. wie die Dezentrale in Sachsen.


    Wir wollen unbedingt vorankommen, aber es ist natürlich alles zusätzlich und nebenbei. Es wäre daher sehr hilfreich, einen Mentor oder Ansprechpartner an der Seite zu haben. Alleine geht es nicht mehr.

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    Stephanie Kuntze / Stellvertretende Bürgermeisterin Herzberg (Elster)

    Es braucht eine nicht-an-Rendite-orientierte Beratung durch erfahrene Planende, die wirklich den Akteuren zur Seite stehen und deren Lebenswelt kennen. Man muss da keine große Entwerferin sein, eher eine Ermöglicherin, und dafür braucht es neue Bauplanungs-Begleiter.

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    Claudia Muntschik / Beratung,Vernetzung,Ostsachsen

    Kreatives Sachsen

    Durch die Pendler*innen-Pauschale wird derzeit die klimaschädliche und familienunfreundliche Arbeitsmobilität einseitig subventioniert. Der Staat sollte ein starkes Signal setzen und Arbeitnehmer*innen mindestens im gleichen Maße wie Pendler*innen von Kosten entlasten, die durch die Vermeidung von Mobilität entstehen. Kosten für die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes wie auch die Anmietung eines Arbeitsplatzes in einem wohnortnahen Arbeitsort sollten direkt oder indirekt bezuschusst werden. Dies sollte durch eine einfache und verständliche eigene Regelung, die „Nicht-Pendler*innen-Pauschale“ geschehen.

    Multifunktionale Orte bringen verschiedene Nutzer*innen zusammen und bieten einen großen Mehrwert für ihr Umfeld. Um sie in der Fläche zu ermöglichen braucht es:

    • Prioritäre Förderung des Aufbaus und Betriebs von multifunktionalen Treffpunkten für Gemeinschaft, Arbeit, Gewerbe und Soziokultur

    • Unterstützung der Einbindung von Coworking-Spaces, Sharing-Angeboten, Offenen Werkstätten und Fablabs oder Maker Spaces (nicht-kommerzielle, offene Hightech-Werkstatt)

    • Förderung von Wissenstransfer und Vernetzung unter Akteur*innen

    • Förderung der partizipativen Konzeption mit den Bürger*innen

    Damit sie ihre Wirksamkeit testen und optimieren können, sollten die Projekte für einen begrenzten Zeitraum von 3–5 Jahren von intensiver Vorplanung und umfassenden Genehmigungsverfahren befreit sein. Die Anwendung von temporären Genehmigungen, Experimentierklauseln oder die Eingrenzung auf bestimmte Gebäudebereiche schafft wichtige Freiräume für den Projektstart. Dabei müssen Sicherheitsstandards und Haftungsfragen geklärt sein.

    Planungsstandards hinterfragen

    Immer lauter wird kritisiert, dass Stadtentwicklung nicht gleich Dorfentwicklung ist. Durch das bundesweite Planungsziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, wurden einheitliche Planungsstandards und Methoden entwickelt. Immer mehr Verantwortung wurde zusammengezogen und zentralen Organen zugespielt. Heute merken wir, dass Dörfer als kleinste Planungseinheit ihrer Souveränität beraubt sind – mit zum Teil fatalen Folgen für Engagement und demokratische Strukturen. Aber auch kleinere Städte und Gemeinden leiden darunter, denn die Lebensrealitäten sehen hier oft ganz anders aus, als in Groß- und Mittelstädten. Um grundsätzlich auch unkonventionelle Lösungen, Zwischennutzungen und gemeinschaftliche Rechtskonstrukte möglich zu machen, gilt es, die gängigen Standards zu hinterfragen und Gemeindevertretungen sowie Initiativen vor Ort einzubeziehen, um die lokalen Gegebenheiten nachvollziehen zu können.

    Unterschiede zwischen Stadt und Land feiern statt kritisieren.

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    Carla Kniestedt / Abgeordnete im Brandenburger Landtag

    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN