Ein erster Überblick

Welcher rechtliche Rahmen ist für unsern Zukunftsort als Strukturform geeignet? Es gibt viele verschiedene Rechtsformen für einen Zukunftsort, welche zu euch passt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier findet ihr eine knackige Übersicht der Stiftung Trias sowie eine Einschätzung der Vor- und Nachteile, die sie mit sich bringen. Wir stellen euch hier die bewährtesten Formen vor.

 - Photo: Eric Birnbaum

Die Frage nach der passenden Rechtsform beschäftigt alle Zukunftsorte früher oder später. Wer sich ihr frühzeitig stellt, schafft Sicherheit und klare Strukturen für die Zukunft.

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GbR

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist eine einfache und kostengünstige Gründung ohne nennenswerte formale Hürden. Für die Gründung braucht kein Mindestkapital und die Gesellschaft bedarf keiner Eintragung in ein Register. Gesetzlich geregelt ist die GbR in den §§ 705 ff. BGB. Die Bestimmungen sind relativ frei, sodass ein großer Gestaltungsspielraum besteht. Für einige Wohnprojekte eignet sich die GbR vor allem als niedrigschwellige, vorläufige Rechtsform. Wesensmerkmal der GbR ist zunächst eine gemeinsame Zweckverfolgung der Mitglieder. Anders als beim eingetragenen Verein kann dieser Zweck bei der GbR auch rein wirtschaftlich ausgerichtet sein. Da es sich um eine Personengesellschaft handelt können die Bedarfe auf die Mitglieder*innen angepasst werden. 

Tipp

Ein guter Notar oder Rechtsanwalt ist wichtig, um den Gesellschaftsvertrag „wasserdicht” zu machen. Achtet auch auf Ausstiegs-Modalitäten!

Pro

  • Gründung ist relativ unkompliziert
  • finanzielle Unterstützung von außen kann leichter organisiert werden (z.B. Spenden, Förderungen, Privatdarlehen)

Kontra

  • volle private Haftung der Gesellschafter*innen
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Gut Boltenhof

Die GbR als Startschuss.

Wie wär's mit einer Familienstiftung? 

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Jan-Uwe Riest / Gründer
Gut Boltenhof

Genossenschaft

Der Zweck einer Genossenschaft liegt darin, ihre Mitglieder*innen zu fördern. Anders als bei einem gemeinnützigen Verein kann damit die Versorgung der Mitglieder*innen mit preiswertem Wohnraum im Zentrum stehen.Als Rechtsform für gemeinschaftliches Wohnen wird die Genossenschaft von vielen Initiativen favorisiert, weil sie die Ziele und Grundsätze des gemeinschaftlichen Wohnens widerspiegelt und idealtypisch umsetzt: Mehrere Menschen finden sich zusammen, um gemeinsame Ziele wirtschaftlich umzusetzen.

Pro

  • gleiches Stimmrecht für jede Person, unabhängig vom eingebrachten Kapital
  • Eigenanteile können in verschiedener Form eingebracht werden
  • kein „Eigentum” und daher auch günstiger bei Konflikten in der Gruppe
  • begrenzte Haftung

Kontra

  • Prüfung durch Genossenschaftsverband, ordentliche Buchhaltung notwendig
  • man hat als Genosse oder Genossin nicht am Wertzuwachs der Immobilie Anteil, bei Austritt bekommt man trotz Inflation die gleichen Anteile ausgezahlt

Die eingetragene Genossenschaft ist eine bewährte Rechtsform, die unternehmerische Initiative sichert und Perspektiven für erfolgreiche Zusammenarbeit bietet. Mehr dazu findet ihr in der Arbeitshilfe "Genossenschaften" des Netzwerk Immovielien. 

Warum die Genossenschaft für uns genau richtig war

 - Foto: Lena Heiß
Ein Ding der Möglichkeiten

Warum eine Genossenschaft für uns die einzig richtige Form war

Verein

Ein Verein ist ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss von mindestens 7 volljährgen Personen, die mittels einer körperschaftlicher Verfassung einen gemeinsames Zweck verfolgen. Für diesen Zweck wird per Gesetzt zwischen zwei Formen unterschieden:

  • wirtschaftlichem und einem
  • nichtwirtschaftlichen Verein, sog. Idealverein,

Hinsichtlich des Idealvereins unterscheidet der Gesetzgeber zwischen dem eingetragenen und dem nicht eingetragenem Verein. Beide Formen unterscheiden sich lediglich durch die Tatsache, dass der eingetragenen Verein im Vereinsregister eingetragen worden ist. Bei dem nicht eingetragenen Verein haften die für ihn in seinem Namen Handelnden persönlich, § 54 S.2 BGB. Die Haftung bei dem in das Vereinsregister eingetragenen Verein ist hingegen so geregelt, dass grundsätzlich nur der Verein als solcher haftet, § 31 BGB, nicht aber der Vorstand oder gar die Mitglieder.

Tipp

Lasst eure Satzungsziele vor der Anmeldung durch einen Profi checken, das erhöht die Chance der Anerkennung durch das Finanzamt. Gibt es einen Verein, den ihr durch die Änderung der Satzungsziele einfach übernehmen könnt? Das spart Zeit. Außerdem unterliegt der Verein strengen Regeln in Bezug auf den Ablauf der Treffen und Abstimmungen. Wer sein Projekt soziokratisch oder mit einer anderen Organisationsform organisiert, sollte sich frühzeitig Gedanken machen, wie man diese Organisationsformen integrieren kann.

Pro

  • Gründung ist relativ unkompliziert
  • finanzielle Unterstützung von außen kann leichter organisiert werden (z.B. Spenden, Förderungen, Privatdarlehen)

Kontra

  • Erfüllung gemeinnütziger Ziele und Aktivitäten, die nachgewiesen werden müssen
  • Projektbeteiligte sind Mieter*innen
  • Haftung des Vorstands
  • Gefahr des Verlusts der Gemeinnützigkeit, wenn man die Satzungsziele nicht ausreichend erfüllt oder zu viel Gewinn erwirtschaftet
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Die Bewohner*innen des Hof Prädikow sind zum einen Genoss*innen der Selbstbau Genossenschaft wenn es ums Wohnen geht. Zum Anderen gibt es den Hof Prädikow e.V. um den Hof weiter zu entwicklen und Bildungs- sowie Kulturangebote zu schaffen.

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Zwischen Genossenschaft, Stiftung und Verein.

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Julia Paaß / Gründerin / Netzwerk

Hof Prädikow

GmbH

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine Kapitalgesellschaft. Die Gesellschafter*innen sind gleichzeitig die Eigentümer*innen und verfolgen wirtschaftliche Zwecke, profitieren also von den Gewinnen der Gesellschaft. Auch ein Verein kann Gesellschafter werden, um autark und wirtschaftlich zu sein. Für die Gründung einer GmbH braucht ihr ein Stammkapitel von 25.000 €.

Auch eine Mischform - die gemeinnützige GmbH ist möglich. Diese Form der GmbH verfolgt das Ziel, die erwirtschafteten Erträge für gemeinnützige Zwecke zu verwendet.

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Gut Ziegenberg

Die Narren sind los. Eine Momentaufnahme vom 11. November 2020.

Spezialfall Mietshäuser Syndikat
Mitbestimmung und Selbstverwaltung lässt sich in klassischen GmbH Strukturen oft nur schwer verwirklichen. Deshalb machen sich Wohnprojekte in GmbH Form häufig das Konzept des Mietshäuser Syndikats zu eigen. Diese GmbHs haben zwei Gesellschafter – einen Verein, in dem die Bewohnenden Mitglied sind und die „Mietshäuser Syndikat“ GmbH. Im GmbH-Vertrag ist geregelt, dass der zweite Gesellschafter seine Mitwirkung darauf beschränkt, die Veräußerung oder Umwandlung des Projektes zu verhindern. Alle anderen Entscheidungen (z.B. Miet-höhen, Sanierungsstandard, Vermietung) werden über den Verein von den Bewohnenden eigenverantwortlich getroffen.

Pro

  • Handlungsfähigkeit der Geschäftsführung
  • Gewinnerwirtschaftung möglich
  • gemeinnützige GmbH als Mischform möglich

Kontra

  • dem Handelsrecht zuzuordnen, euer Zukunftsort sollte also einen größeren Anteil an Vermietungen und Gewerbe haben
  • Stammkapital von 25.000 €

Wer sich nicht sicher ist, welche dieser beiden Rechtsformen für das eigene Projekt die richtige ist, hilft vielleicht dieser Vergleich von Verein vs. GmbH des Netzwerk Immovielien weiter. 

Unternehmergesellschaft

Die Unternehmergesellschaft (UG) ist keine eigene Rechtsform, sondern ist eine Variante der GmbH, an die lediglich geringere Gründungsanforderungen gestellt werden, insbesondere geringeres Stammkapital. Die Vorschriften des GmbH-Gesetzes, wenn nicht in 5a GmbHG vorgesehen, sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Haftungstatbestände sind auch auf die UG anzuwenden. Die UG vereint die beschriebenen Vorteile der GmbH mit dem Vorteil der geringen Kapitalaufbringung im Rahmen der Gründung. Dieser Vorteil verblasst aber von Jahr zu Jahr, da ein Viertel des Jahresüberschusses abzgl. Verlustvortrag in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, bis das Stammkapital von 25.000 EUR erreicht worden ist.

Pro

  • beschränkte Haftung
  • zu Beginn weniger Kapitalaufbringung

Kontra

  • anteiliger Einbehalt des jährlichen Gewinns in Höhe von 25%

  • noch geringere Kreditwürdigkeit

  • hoher Aufwand bei Gesellschafterwechsel (Notar)

Offene Handelsgesellschaft (OHG)

Der Betrieb eines Handelsgewerbes, also eines kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetriebs, steht im Vordergrund. Dabei haften die Gesellschafter gesamtschuldnerisch neben dem Gesellschaftsvermögen unbeschränkt persönlich mit ihrem Privatvermögen. Dieser Nachteil schafft aber zugleich auch eine hohe Kreditwürdigkeit, die bei Beginn einer Unternehmung hilfreich sein kann.

Pro

  •  hohe Kreditwürdigkeit

Kontra

  • volle persönliche Haftung

Stiftung des bürgerlichen Rechts

Durch die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts können größere Vermögensmassen langfristig einem bestimmten Zweck gewidmet und durch eine staatliche Aufsicht gesichert werden. Hierdurch werden sie gerade insbesondere bei der Vermögens- und Unternehmensnachfolge interessant.

Pro 

  • langfristige Bindung von Verm gensmassen
  • steuerliche Anreize
  • Schutz des Lebenswerk über den Tod hinaus

Kontra

  • hoher Grundstock notwendig, da die Finanzierung der Stiftungsaktivitäten ausschließlich über Erträge geschieht
  • keine Einflussnahmemöglichkeit des Stifters
  • starrer Stiftungszweck

Achtung Fallstricke!

Der Verein ist “von Natur aus” aufgrund seiner Gemeinnützigkeit und nicht-wirtschaftlichen Ausrichtung nicht umsatzsteuerabzugsberechtigt.

Ihr habt jedoch die Möglichkeit, mit dem Verein einen Wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einzurichten. Dieser bezieht sich auf gewerbliche Tätigkeiten innerhalb des Vereins, die auf die Generierung von Einnahmen/Gewinnen ausgerichtet sind. Diese müssen wiederum für eure Satzungszwecke eingesetzt werden. Es gibt auch den Bereich der Vermögensverwaltung (z.B. Immobilien, Land, etc.), wo mit Vermietung, Verpachtung oder Geldanlage ein positives Geschäftsergebnis erzielt werden kann und soll. In diesem Feld darf Umsatzsteuer erhoben werden. Das ist dann hilfreich, wenn ihr in diesem Gewerbe höhere Ausgaben an Umsatzsteuer erwartet. Auch Förderungen in den Bereichen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (z.B. Wirtschaftsförderung beim Aufbau einer Gastronomie) oder der Vermögensverwaltung (investive Förderung für die Sanierung eines Gebäudes in Vereinsbesitz) profitieren von der sog. Umsatzsteuerabzugsberechtigung. Denn so kann man die Förderung netto beantragen, was die Fördersumme im Effekt um bis zu 19% erhöht. Als Verein müsst ihr die Mehrwertsteuer bei der Bezahlung dann nur auslegen und bekommt sie vom Finanzamt zurückerstattet. Aber Vorsicht! Das gilt nur für die beiden genannten Gewerbe- und Vermögensbereiche! Bei Förderungen in euren ideellen Zwecken (z.B. betreffend Bildung, Kultur, etc.) müsst ihr die Förderungen brutto beantragen (d.h. inklusive Mehrwertsteuer), denn hier erstattet das Finanzamt nicht die Umsatzsteuer.

Tipp

Bevor ihr Förderungen beantragt, befragt eure im Vereinsrecht versierten Steuerberater*innen, in welchem Bereich das entsprechende Projekt angesiedelt wird und lasst euch das vom Finanzamt schriftlich bestätigen. Dann seid ihr auf der sicheren Seite und lauft nicht Gefahr, plötzlich auf der Umsatzsteuer sitzen zu bleiben. Denn das kann bei größeren Projekten schonmal Mehrkosten von mehreren zehntausenden Euro bedeuten.

Wer bei seinem Verein auf Gemeinnützigkeit setzt (Steuerbegünstigung und Förderfähigkeit), muss aufpassen, diese - so sie einmal erlangt ist - nicht wieder zu verlieren. Beachtet dabei unbedingt folgende Punkte:

  • Ordnungsgemäße Buchführung und keine „Schwarzen Kassen“!
    Alle Einnahmen und Ausgaben müssen ordnungsgemäß abgerechnet und prüfbar sein, auch Barspenden und Einnahmen beim Kuchenverkauf. Das ist lästig aber absolut notwendig.

  • Keine Verluste in wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder Vermögensverwaltung!
    Vor allem dürfen eventuelle finanzielle Lücken nicht durch Gelder aus den ideellen Arbeitsbereichen des Vereins gestopft werden.
    Vorstandsvergütung nur mit entsprechender Satzungsgrundlage! Nach dem Bürgerliche Gesetzbuch arbeitet der Vereinsvorstand grundsätzlich ehrenamtlich. Schon pauschale Aufwandsentschädigungen im Rahmen des sogenannten Ehrenamtsfreibetrages sieht das Finanzamt kritisch und kann zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen. Soll euer Vorstand, oder Teile davon, für seine Tätigkeit bezahlt werden, müsst ihr in eurer Satzung bestimmen, dass euer Vorstand eine pauschale Aufwandsentschädigung oder Vergütung erhalten kann. Lasst euch dazu am besten beraten.

  • Nur satzungskonforme Zwecke verfolgen! 

    Ein Verein darf nur gemeinnützige, satzungsmäßige Zwecke verfolgen. Dabei dürfen auch mehrere unterschiedliche Zwecke (z.B. Bildung einerseits und Kultur andererseits) verwirklicht werden, solange sie in der Satzung festgesetzt sind. Wenn ihr zusätzliche Zwecke verfolgen wollt, müsst ihr zunächst eine Satzungsänderung beschließen und beantragen, sonst droht euch der Vorwurf der Mittelfehlverwendung. Das kann dazu führen, dass ihr steuerlich anders veranschlagt werdet und eure Gemeinnützigkeit in Gefahr ist.

  • Vorsicht beim Rücklagen bilden! 
    Wer Immobilien ausbaut und betreibt weiß, dass immer mal wieder etwas kaputt gehen kann. Sowohl am Gebäude selbst, als auch an der Gebäudetechnik oder der Ausstattung. Klug ist es deshalb, hier Instandhaltungsrücklagen zu bilden. Allerdings ist das innerhalb des Vereins nicht einfach so möglich. Vereine, die als gemeinnützig anerkannt sind, müssen nämlich eigentlich ihre Mittel innerhalb von zwei Jahren (nach Einnahme) zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Zwecke verwenden. Sonst gibt es auch hier Probleme mit der Gemeinnützigkeit. Das gilt grundsätzlich auch für Ihre Einnahmen aus dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Rücklagen dürfen demnach nur kurzfristig gebildet und innerhalb von zwei Jahren ausgegeben werden.

Mehr dazu erfahrt ihr hier:

Die Organschaft ist ein rein steuerrechtlicher Begriff und definiert sich so: Wenn ihr eure wirtschaftlichen Tätigkeiten aus dem Verein ausgründet, also zwei rechtlich selbstständig agierende Träger schafft, kann dieses Konstrukt vom Finanzamt bei starker inhaltlicher und personeller Verflechtung als Organschaft eingestuft werden. Ggf hat das größere steuerrechtliche Auswirkungen. Euer Verein wäre dann “Organträger” und eine eventuelle GmbH würde als “Organgesellschaft”, die dem Organträger untergeordnet ist, eingestuft. Das bedeutet z.B., dass sowohl Umsatz- als auch Ertragssteuer beider “Organe” jeweils zusammen erklärt werden. Das kann Vor- und Nachteile haben, über die man sich steuerrechtlich unbedingt beraten lassen sollte.

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Gruppe

Wie ihr euch finden und organisieren könnt.

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Expert*innen zum Thema

Folgende Personen haben bei diesem Beitrag mitgewirkt und teilen gern Ihre Erfahrungen rund um die verschiedenen Rechtsformen im Netzwerk Zukunftsorte.

 - Photo: Claudia Burger
Caroline Rosenthal

Projekt- & Kommunenberatung

Netzwerk Immovielien
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Nicole Müller

Gründerin

heimatHOF Gut Ziegenberg
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Julia Paaß

Gründerin / Netzwerk

Hof Prädikow