Welche Rolle möchtet Ihr der Gruppe gegenüber einnehmen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Kommunen und Privateigentümer*innen mit einer Gruppe zusammen zu arbeiten. Je agiler der Prozess, so länger das Engagement und die Zusammenarbeit. Auch die Rollen der (kommunalen) Eigentümer*innen kann sehr unterschiedlich sein: vom schlichten Übergeben des Gebäudes an eine Gruppe bis zur langfristigen behördlichen oder finanziellen Unterstützung gibt es viele Möglichkeiten. Diese Grafiken zeigen anhand von Praxisbeispielen (zwei kommunale, zwei private Gebäude) die unterschiedlichen Ausprägungen von Rollen und Verhältnissen.

Auf dieser Seite

…erfahrt Ihr, worauf es bei der Zusammenarbeit mit Gruppen ankommt, wie Ihr die Kooperation selbst gestalten könnt und welche Möglichkeiten der Absicherung für Euch bestehen.


Kurz gesagt:

  • 1

    Vertrauen in die Gruppe finden.

  • 2

    Offen und transparent kommunizieren.

  • 3

    Eigene Grenzen definieren.

  • Eure eigenen Erfahrungswerte, der Vergabeprozess und die Form der Übergabe, aber besonders Eure Rolle sowie die Eurer Partner*innen im Prozess nehmen Einfluss auf Eure Zusammenarbeit. Habt Ihr eure eigenen Ziele, Ressourcen und Grenzen immer klar vor Augen und steht selbstbewusst für sie ein, um Eure eigene Mitsprache, aber auch Eure Absicherung sowie das Gelingen des Projektes in ein Gleichgewicht zu bringen.

    Wenn die berühmt-berüchtigten „paar Spinner“ um die Ecke kommen, kann ich mir schon vorstellen, dass jemand, der noch keinen Kontakt mit gemeinwohlorientierten Themen hatte, die Immobilie lieber an einen „seriösen“ und finanziell starken Investor verkauft. Es ist ein großes Hindernis, dass dieses Denken in den Köpfen der verkaufenden Menschen präsent ist.

     -
    Jörn Luft / Geschäftsstelle

    Stiftung trias

    Welche Form der Zusammenarbeit passt zu Ihnen?

    Wie genau Ihr mit der Gruppe zusammen arbeitet, kann sehr unterschiedlich aussehen – Ihr habt es selbst in der Hand. Während die Stadt Angermünde im “Haus mit Zukunft” viele Entscheidungen gemeinsam mit ihrem Partner, der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) trifft, nimmt sich die Stadt Zehdenick eher zurück. Während der Eigentümer des Kühlhauses in Görlitz aktiv Ideen einbringt und finanziert, hat die Erbengemeinschaft des Gut Ziegenbergs den gegenteiligen Ansatz gewählt: Inhaltlich überlasst Ihr der Gruppe die Gestaltung, habt jedoch über den Pachtvertrag genaue Bedingungen zur Kooperation aufgestellt.

    Stellschrauben im Verhältnis zur Gruppe

    • persönlich oder schriftlich

    • per Ausschreibung oder im persönlichen Gespräch

    • reines Kennenlernen oder Inhalte diskutieren

    • klare Kriterien definieren

    • Prozess transparent kommunizieren

    • gleiche Informationen, Rechte und Anforderungen für alle Gruppen

    • gemeinsamer Workshop zur Klärung von Zielen und Erwartungen

    • Vergabeform definieren (Verkauf, Verpachtung, Testphasen)

    • eigene finanzielle und zeitliche Ressourcen und Grenzen abstecken und kommunizieren

    • anteilige Risikohaftung diskutieren und festschreiben

    • künftigen Rahmen für weiteren Austausch definieren

    • Entscheidung über Beibehaltung aktiver Rolle

    • Grundlage für weiteren Austausch definieren

    Alles fängt irgendwie an.

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     - Photo: © Stadt Luckenwalde
    Elisabeth Herzog von der Heide / Bürgermeisterin von Luckenwalde

     - Photo: © Jörg Gläscher

    Ob am Lagerfeuer oder woanders: Zeit miteinander verbringen schafft Vertrauen.

     | Photo: © Jörg Gläscher

    Schritt 1: Vertrauensbasis schaffen

    In jedem Fall erfordert solch ein gemeinschaftliches Projekt, sich aufeinander einzulassen und das Gefühl zu haben, sich im Wesentlichen aufeinander verlassen zu können. Nehmt euch am Anfang also ausreichend Zeit zum Kennenlernen. Im späteren Prozess sind dann klar verteilte Rollen und Zuständigkeitsbereiche und eine gut organisierte Kommunikation wichtig. Achtet auch bei der Auswahl Ihrer Partner*innen darauf, ob sie bereit sind, sich den Prozess mit der Gruppe einzulassen.

    Chancen sehen, Skepsis überwinden.

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    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Austausch moderieren

    Nach der finalen Entscheidung, welche Gruppe die Immobilie in Nutzung bringen soll, gilt es herauszufinden, wie die gemeinsame Umsetzung gelingen kann. Besonders unerfahrene Gruppen werden Zeit brauchen, um ihren eigenen Arbeitsrhythmus zu finden. Hierbei kann ihnen die Wissensplattform für Zukunftsorte helfen, auch das Netzwerk Zukunftsorte und andere Projektberater unterstützen bei den ersten Schritten. Aber auch erfahrene Gruppen können nicht jede Entwicklung voraussehen. Es wird regelmäßig kleinere Abstimmungen und Entscheidungen zu treffen geben, besonders, was die Finanzierung angeht. Geförderte Projekte fordern hier noch einmal mehr Aufmerksamkeit.

     -

    Auf der Wissensplattform für Zukunftsorte gibt es einen großen Bereich mit Praxiswissen für Macher*innen.

    Zuständigkeiten organisieren

    Sowohl bei Euch, als auch bei der Gruppe sollten jeweils ein*e feste*r Ansprechpartner*in bestimmt werden, die den größten Teil der Kommunikation führen und alles im Blick behalten. Steckt jetzt Eure Rolle und Grenzen klar ab. Trefft außerdem frühzeitig Vereinbarungen über Art und Weise Eurer Absprachen und wie getroffene Entscheidungen dokumentiert werden:

    • Möchtet Ihr Vorgaben zur Umgestaltung Eurer Gebäude setzen?

    • Möchtet Ihr über inhaltliche Aspekte mitentscheiden? Wenn ja, über welche?

    • Wieviel Risiko könnt Ihr selber, wieviel muss die Gruppe mittragen?

    • Wann bzw. in welchen Abständen möchtet Ihr worüber und in welcher Form informiert werden?

    • Welche Entwicklungen innerhalb der Projektgruppe wirken sich auf Eure Rolle aus? Worüber möchtet Ihr also immer auf dem Laufenden gehalten werden?

    • Gibt es Entscheidungen, die nach einem persönlichen Treffen verlangen und was könnt Ihr schriftlich, telefonisch oder per Videokonferenz besprechen?

    Offene Bedingungen und Raum zum Austausch.

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    Hans van Leeuwen / Eigentümer

    Kühlhaus Görlitz

     - Photo: © Silke Reents
    Stellschrauben für’s Gelingen

    Eine davon: das richtige Betreiber-Konstrukt.

     | Photo: © Silke Reents

    Schritt 2: Betreiber-Konstrukt definieren

    Über das Betreiberkonstrukt werden die Rechte des/der Eigentümer*in und (Mit-) Nutzer*innen geregelt. Über die Art und Weise der Ver- und Übergabe könnt Ihr bestimmen, wieviel Einfluss Ihr auf die Gestaltung des Projektes nehmt und daher auch, wie intensiv Ihr euch mit der Gruppe auseinandersetzen möchtet.

    Ist eine Immobilie nicht in kommunalem Besitz, steht die Frage nach einem Ankauf im Raum. Auch eine kooperative Vorgehensweise mit dem/der Privatbesitzer*in ist möglich, in der Sie die Suche und Übergabe an eine Gruppe gemeinsam organisieren. Aber auch wenn die Immobilie im Privatbesitz verbleibt, könnt Ihr das Projekt finanziell oder verwaltend unterstützen und sich eine Mitsprache in der Ausgestaltung sichern.

    Wir konnten die Kooperation auch nur mit der Hochschule machen, weil wir ihnen Räume anbieten konnten, wo sie wirksam werden können. Das ist also etwas, was ganz konkret als Teil dieser Entwicklung kam und jetzt aus diesem Projekt heraus ja auch einen Teil der Stelle eines Mitarbeiters finanziert wird, der in diesem Haus sitzt.

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Für eine aktive Mitgestaltung, wenn Ihr eure Immobilie nicht ganz aus den Händen geben möchten, gibt es sehr verschiedene Lösungen:

    1. Werdet zu Macher*innen und entwickelt das Gebäude selbst. So habt Ihr allen Gestaltungsspielraum, tragt aber auch alle Verantwortung und Kosten. Das Team wird auf dieser Basis erweitert.

    2. Überführt Euren Besitz in eine Stiftung, Genossenschaft, oder ähnliche Struktur kollektiven Eigentums und entwickelt das Gebäude als gleichberechtigter Teil der Gruppe.

    3. Vereinbart vorab gemeinsame Ziele, beschränkt euch ansonsten jedoch auf eine unterstützende Rolle und lasst der Gruppe bei der Gestaltung freie Hand. Dann bietet sich ein Pachtvertrag an.

    Individuelle Lösungen finden.

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    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Die eigentliche Pacht wird mit den Fördermitteln, die der Verein akquiriert und die im Gebäude verbaut werden, verrechnet. Zusätzlich starten wir mit niedrigen Beiträgen, welche sich erst mit der Zeit erhöhen, um den Aufbau des Projektes zu unterstützen.

    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

     - Photo: © Gut Ziegenberg

    Die Nutzung kann auch schon vor der fertigen Sanierung getestet werden.

     | Photo: © Gut Ziegenberg

    Schritt 3: Testphasen nutzen

    Testphasen und Zwischennutzungen bietet Euch die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteursgruppen zu testen, aber auch Einnahmen für Eigenmittel zu generieren und zukünftige Nutzergruppen zu aktivieren.

    Temporäre Pop-Ups sind flexible Formate, um sich an die inhaltliche Ausrichtung eines Projektes heranzutasten und Beteiligung aktiv zu gestalten. Einzelne Ideen und Nutzungen können so unmittelbar umgesetzt und getestet werden. Hier lohnt sich der Blick auf die Kunst- und Kreativwirtschaft - auch innerhalb der weiteren Region oder größerer Städte.

    Meetup: Pop-Up Formate

    Die Akteur*innen aus den Zukunftsorten und Expert*innen treffen sich regelmässig zu verschiedenen Themen. Es darf gefragt und vernetzt werden. Hier gehts zur Meetup-Gruppe.

    Eine Anhandgabe als längere und nutzungsoffene Testphase kann sich über 6-12 Monate strecken und eignet sich besonders, um die Zusammenarbeit zu erproben und herausfinden, ob das Gesamtkonzept der Gruppe vor Ort geschätzt wird und wie belastbar Konzept und Gruppe sind. In diesem Rahmen habt Ihr ausreichend Zeit, die Gruppe besser kennenzulernen und die Eckpfeiler für eine gute Zusammenarbeit abzustecken. Im Rahmen der Anhandgabe könnt Ihr zum Beispiel auch die Anforderung stellen, die Bevölkerung mit einzubeziehen und eigenständig Formate zur Beteiligung zu entwickeln.

    Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer*in oder Stadt/Gemeinde und Projektgruppe stimmt, können auch unkonventionelle Lösungen gefunden werden, die der Gruppe erlauben, sich das Gelände langsam anzueignen und Konzepte zu entwickeln. Für beide Seiten besteht dann oft ein höheres (finanzielles) Risiko, gleichzeitig sparen Sie natürlich einiges an Bürokratie. Der Eigentümer des Kühlhaus Görlitz hat das Werkeln der Gruppe auf dem Gelände anfangs beispielsweise durch einen “Überwachungsauftrag”, den er vergab, legalisiert. Erst später haben sich beide Seiten um einen offiziellen Pachtvertrag gekümmert.

    Wir sind ja sehr blauäugig an die Sache herangegangen.

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    Danilo Kuscher / Gründer und Initiator, Vorstand und Geschäftsführung, Bauprojekte, Planung
    Kühlhaus Görlitz

    Aus der Praxis

    Eigentümer unterstützt Entwicklungsphase

    Mit der Bitte, das ehemalige Kühlhaus in Görlitz für kulturelle Veranstaltungen nutzen zu dürfen, trat eine Gruppe junger Leute auf den Besitzer zu. Der Eigentümer, der selbst kein eigenes Nutzungsinteresse hatte und sich eine solche Nutzung für das Gelände gewünscht hatte, räumte der Gruppe einen Testzeitraum ein. Es zeigte sich, dass die dort entwickelten Veranstaltungen und Angebote großen Anklang fanden. So unterstützte der Eigentümer das Projekt zusätzlich, indem er eine Stelle zur Entwicklung des Projekts sowie Ausgaben zur Instandsetzung bezahlte. Bedingung war, dass sich das Kühlhaus innerhalb einer definierten Zeitspanne selbst trägt. Heute freut sich der Eigentümer über den großen Erfolg des Kulturorts und über den großen Effekt auf die Region. Das in die Gruppe gesetzte Vertrauen und die wenige Einmischung seinerseits hat sich voll ausgezahlt, betont er.

    Erbengemeinschaft und Macher*innen auf Augenhöhe

    Bis die Projektgruppe die Erbengemeinschaft kontaktierte, hatten die Eigentümer des Gut Ziegenbergs sich vorrangig um die Instandhaltung der Gebäude gekümmert und sich schon länger die Frage nach einer langfristigen Nutzung gestellt, da sie nicht vor Ort wohnten, es aber auch nicht einfach verkaufen wollten. Die Gruppe hatte bereits recht genaue Vorstellungen und auch schon Förderungen beantragt. Nach einer kurzen Kennenlernphase kamen beide Seiten schnell ins Handeln: Ein individueller Staffelpachtvertrag organisiert ihre Zusammenarbeit grundlegend und die Eigentümer sind immer noch primär in Fragen der Instandhaltung, des Umbaus und der Finanzierung beteiligt, unterstützen z.T. auch mit Sicherheiten, wenn es um umfangreiche Kredite oder Förderungen geht. Wichtig für das Agieren auf Augenhöhe war, dass die Macher*innen ab einem gewissen Zeitpunkt auch privat investierten und hafteten und damit das Risiko mittrugen.

    Testphase bewahrt vor dem Scheitern

    Die Gruppe des Coconat hatte ihr Konzept zuvor bereits als Pilotprojekt an einem alternativen Standort getestet. Nach dieser ersten Testphase hat sich herausgestellt, dass Eigentümer und Gruppe nicht harmonierten und die Interessen doch weiter auseinander gingen, als angenommen. In Klein Glien fand die Übergabe der Immobilie über eine Konzeptvergabe statt. Die Gemeinde gab der Projektgruppe mit dem (2018 noch sehr ungewöhnlichen) Konzept eines Coworking Retreat Ortes den Zuschlag, weil sie an dessen Impulskraft glaubt. Seitdem hat der Ort in Kooperation mit der Stadt maßgeblich zur außergewöhnlichen Entwicklung Bad Belzigs zur Smart Village beigetragen und viele junge Menschen, Start-Ups und Initiativen zum Zuzug bewegt. Am vorherigen Ort wäre das Konzept aufgrund fehlender Unterstützung wahrscheinlich nicht so gut aufgegangen. So hat die Testphase das Projekt vor dem Scheitern bewahrt.