Wie kann man rund um's Zukunftsort Projekt Einkommen generieren? Es gibt verschiedene Modelle: vom Full-on Gewerbeprojekt bis zum Wohnprojekt mit sukzessiver Jobentwicklung. Und alles hat seine Chancen und Tücken.

Ein Zukunftsort ist ein Fulltimejob

Zukunftsorte sind nicht nur Lebens-, sondern auch Arbeitsprojekte und damit stellt sich die Frage, wie ihr rund um euer Projekt Einkommen generieren könnt. Eine Grundentscheidung ist dabei: wollt ihr den Zukunftsort grundsätzlich als Unternehmen (mit sozialen und gemeinwohlorientierten Anteilen) denken oder ist es in erster Linie euer Lebensort, der schrittweise auch Einnahmen generieren kann und soll. Dies wird einen großen Einfluss auf eure Prioriätensetzungen und Herangehensweisen haben. Denn ein Zukunftsort ist oder wird ein Fulltimejob: von der Projektentwicklung und Finanzierungsklärung bis zur Begleitung von internen Prozessen oder der Vernetzung in der Region. Mit der Verantwortung für diesen besonderen Ort übernehmt ihr auch Mitverantwortung für die Gestaltung der Region. Auf diesem Weg werdet ihr zu Pionier*innen einer nachhaltigeren Art des Wirtschaftens, die maximalen Profit und ungesundes Wachstum kritisch hinterfragt.

Kurz gesagt

  • 1

    Geld verdienen mit einem Zukunftsort geht meist nicht von heute auf morgen, man durchläuft mehrere Phasen und professionalisiert sein Angebot.

  • 2

    Zukunftsorte sind ideal, um gemeinwohlorientiert zu wirtschaften. Das heißt soziale und nachhaltige Belange über Wachstum und Profite zu stellen.

  • 3

    Mit einer Nutzungsmischung könnt ihr verschiedene Einnahmequellen generieren und eure Herzensprojekte querfinanzieren.

  • Phasen

    Der Aufbau eines Zukunftsortes mitsamt Lebensunterhalt umfasst neben den vier Hauptphasen Suchen, Gründen, Bauen und Betreiben noch drei weitere Schritte, die wie untergeordnete Phasen nebenher verlaufen. In der Regel startet das Projekt mit einer Phase des Experimentierens, woran sich ein Prozess der Konsolidierung anschließt. Hier entscheidet sich oft die langfristige Perspektive. Im besten Fall kommt das Projekt danach in die Flow-Phase und kann unterschiedliche Bedürfnisse an Projekt, Region und Umwelt ausbalancieren.

     - Foto: Lena Heiß
    COCONAT

    How to become financially stable 

    Ihr habt den Entschluss gefasst, eure Lebensumstände zu ändern und grundlegend neu zu definieren. Dahinter steht meistens ein neuer Lebensentwurf, die Natur, das Land. Der fertige Businessplan ist meist nicht der Impulsgeber. Dennoch ist die Frage, wie sich euer Ort tragen soll, ständig präsent. In der Regel ist diese Phase jedoch auch von hoher Arbeitsleistung rund um Haus und Hof bestimmt. Ihr werdet erstmal viel in Vorleistung gehen und dabei Erfahrungen sammeln. Parallel werdet ihr Gewerbe- und Einkommensmöglichkeiten diskutieren und überlegen, ob ihr Förderungen akquirieren wollt.

    Um ein richtiges Gefühl für den Aufbau eures Gewerbes zu bekommen, ist es sehr wichtig, dass ihr in dieser Phase die Menschen in der Umgebung kennenlernt, Netzwerke aufbaut und einen Überblick über die Region bekommt. Darüber hinaus gilt es zu sondieren, was vor Ort und in der Region fehlt und wie man aus dieser Leerstelle Angebote schaffen könnte. Besonders relevant ist die Analyse, was es schon an Angeboten gibt, an die angeknüpft werden kann, um so sinnvolle Synergien zu schaffen. Ob Handwerk, Hotel, Bildung oder Beratung: Hier gibt es sehr viele Wege, Gewerbe aufzubauen und gemeinwohlorientierte Angebote zu integrieren.

    Ein guter Weg, die eigenen Annahmen über Angebot und Zielgruppe zu prüfen ist, euer Angebot prototypisch zu testen und euer Konzept ggf. anzupassen. Auch kann man oft erst im Machen abschätzen, ob einem die Art der Arbeit überhaupt liegt und genug Freude bereitet, um weiterhin Energie zu investieren und auch unternehmerisches Risiko in Kauf zu nehmen. Vielleicht probiert ihr daher anfangs verschiedene Konzepte aus und lasst euch dabei von Expert*innen, darunter auch den Anwohner*innen vor Ort, beraten.

    Wenn es der Zustand der Räumlichkeiten und das handwerkliche Geschick ermöglichen, könnt ihr zum Beispiel kurzfristig mit der Vermietung für Veranstaltungen und Seminare erstes Einkommen generieren (vergesst jedoch nicht, eventuell notwendige Genehmigungen einzuholen). Der Charme des Unfertigen und der Raum für Freiheit und Kreativität ist für bestimmte Zielgruppen sehr attraktiv - sowohl für Menschen, die sich in das Projekt integrieren wollen, als auch diejenigen, die die niedrigschwelligen Angebote annehmen.

    Wenn sich euer Projekt auch im Bereich Landwirtschaft entwickeln soll, könnt ihr bei erfolgreicher Ernte in dieser Phase mit Direktvermarktungen starten. Dabei und natürlich auch bei allen anderen Hilfsarbeiten sind engagierte und kostengünstige Helfer*innen ziemlich wichtig: Plattformen wie Workaway oder Wwoofer sind da eine tolle Option, deren Mitglieder meist auch die richtige Einstellung zu Nachhaltigkeit mitbringen.

    Grundsätzlich ist es immer gut, gleich und schnell Kontakt aufzunehmen; auch ohne konkrete Idee.

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    Grit Körmer / Regionalmanagerin

    LAG Märkische Seen e.V.

    Die unternehmerische Ausrichtung des Zukunftsorts steht, auch der Businessplan steht und es hat sich gezeigt, wer sich mittelfristig in das Projekt einbringen und Verantwortung übernehmen will. In dieser Phase vollzieht sich eine zunehmende Professionalisierung der Dienstleistungen in dem wahrscheinlich auch zunehmend sanierten und ausgebauten Bestand. Modelle der Querfinanzierung können eine entscheidende Rolle spielen, um den Spagat zwischen Rentabilität und Gemeinwohlorientierung zu meistern.

    Ihr habt euch auch ausgiebig mit der Umgebung beschäftigt und ein Gefühl dafür bekommen, wie die Menschen dort ticken, was sie sich wünschen und was sie an ihrer Region wertschätzen – und welche Angebote hier sinnvoll sind. Über die Anwohner*innen hinaus, habt ihr Kontakte zu den lokalen Akteuren der Kommunalpolitik und -verwaltung geknüpft. Das wird den Prozess für beide Seiten erleichtern.

    Sofern ihr euch für die Beantragung einer (oder mehrere) Förderung entschieden habt, konntet ihr euch mittlerweile einen Überblick über die verschiedenen Förderstrukturen machen und nutzt diese nun gezielt, um eure sozialunternehmerischen Ziele damit zu stützen und langfristige Geschäftsmodelle aufzubauen. Dazu gehört eventuell auch, dass ihr zu Arbeitgeber*innen werdet und euch darum kümmern müsst, wie ihr den Laden zusammen haltet bzw. als Gruppe zusammen arbeitet und wer welche Rolle hat.

    Ihr habt nun ein Angebot und Kunden / Gäste / eine Zielgruppe, die dieses in Anspruch nimmt. Ihr habt das erste Chaos hinter euch gelassen, wisst mittlerweile gut um die Herausforderungen und Möglichkeiten eures Gewerbes und seht, was verbessert werden muss, damit es sich langfristig halten kann. Diese Phase der Professionalisierung ist auch eine der Evaluation: vorherige Annahmen müssen überprüft, bisherige Team-Rollen angepasst, zusätzliche Menschen hinzugenommen werden. Nicht selten kommt es in dieser Phase zu Auseinandersetzungen, weil sich herausstellt, dass es unterschiedliche Erwartungen und Prioritäten im Team gibt, oder sich Annahmen über die Rentabilität nicht einlösen. Hier kann es helfen, jemand Externes hinzuzunehmen, der/die euch punktuell Tipps gibt oder Konflikte moderiert. Auch der Austausch mit anderen Projekten ist hilfreich, da man feststellt: diese Zeit des Sich-Zurechtruckelns ist normal und gehört dazu.

    Wenn das Experimentieren und Professionalisieren sowie das Ankommen in Nachbarschaft und Region bewusst und behutsam gestaltet wurde, ist euer Zukunftsort wahrscheinlich ins Laufen gekommen. Werden eure unternehmerischen Aktivitäten vor Ort wertgeschätzt und auch genutzt, sollte euer Gewerbe jetzt tragfähig sein. Ehrenamt und auch Querfinanzierungen können weiter in den Hintergrund treten oder aber auch fester Bestandteil eurer Unternehmenskultur bleiben – gerade, wenn ihr weiterhin neue (gemeinwohlorientierte) Angebote erschließen wollt. Vielleicht trennt ihr euch auch wieder von bestimmten Einkommensquellen. Es kann jetzt in viele Richtungen gehen.

    Für viele Projekte wird in dieser Phase “Wachstum” innerhalb oder außerhalb der eigenen Grundstücksgrenzen gedacht. Entweder werden die freigewordene Energie und das Know-How in die Weiterentwicklung und Diversifizierung des eigenen Gewerbes bzw. Angebots investiert, oder sie in die Entwicklungen der Region gesteckt – das kann mitunter auch Hand in Hand gehen. Es werden gemeinsame Förderanträge mit der Gemeinde geschrieben, anderen Akteuren der Rücken gestärkt und Projekte angeschoben, die nur bedingt mit dem Zukunftsort zu tun haben, jedoch von seiner bereits gewonnenen Bekanntheit profitieren. Um einen ganz wichtig Zielverfolgung geht es dabei immer: eine lebendige, vernetzte, vielfältige und zukunftssichere Region. Das kann vieles heißen: die Gründer des Coconat sorgten dafür, dass Bad Belzig zur Modellregion “Smart Village” wurde, Gut Boltenhof schmiedet Pläne für die Entwicklung eines ganzen Dorfes, aus der Höfegemeinschaft Pommern mit ihren Bio-Landwirtschaftsbetrieben wird das Projekt RothenklempeNOW, dass sich gut vernetzt sowohl lokal als auch auf EU-Ebene für das Erreichen der Nachaltigkeitsziele (SDGs) einsetzt.

    Zentral ist, dass ihr euch immer wieder – besonders in dieser Phase – auf eure Werte besinnt. Nachhaltigkeit ist als Entwicklungsmotiv ganz zentral und kann jetzt nochmal auf neuen Ebenen in die weitere Entwicklung einfließen. Wachsen sollte nicht der logisch nächste Schritt im Sinne einer klassischen Vermehrung sein. Vielmehr solltet ihr überlegen, welche Werte wachsen sollten. Eure eigene Lebensqualität, aber auch die eures Umfeldes auszubauen, kann jetzt auch bedeuten, dass ihr einen Schritt zurücktretet und Verantwortung an andere im Team, vielleicht auch später dazu gestoßene, abgebt. Immer wieder offen zu sein für neue Menschen mit neuen Ideen ist hierfür wichtig und bringt euch letztlich vielleicht eher in eine kuratierende und fördernde Rolle.

    Wie kann man mit einem Zukunftsort Geld verdienen?

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    Was heißt es, gemeinwohlorientiert zu wirtschaften?

    Finnland, Schottland, Wales und Neuseeland haben sich gerade zu den „Wellbeing Economy Governments” zusammengeschlossen. Sie stellen Wachstum ganz grundsätzlich in Frage und suchen nach alternativen Lösungen, um Lebensqualität zum Maß der Wirtschaft zu machen. Im Kleinen sind Zukunftsorte genau solche Experimentierzellen, die sich diesen Fragen widmen. Sie sind damit wichtige Pioniere und tragen eine gewisse Verantwortung, nach alternativen Wegen zu suchen. Man kann sie auch als Sozialunternehmer*innen bezeichnen. Sozialunternehmen handeln gemeinwohlorientiert. Das Handeln zielt darauf ab, auf soziale oder ökologische Fragestellungen mit innovativen Lösungen zu antworten. Sie handeln unternehmerisch und tragen sich finanziell. Überschüsse reinvestieren sie in die Erweiterung ihres gemeinwohlorientierten Angebots oder Produkts.

    Tipp

    Auf dem Land wirkt Unternehmertum sehr viel stärker auf die schon vorhandenen Wirtschafts-, aber auch sozialen Strukturen der unmittelbaren Umgebung ein, als es in (Groß-) Städten der Fall ist. Grit Körmer von der LAG Märkische Seen e.V. empfiehlt daher, besonders genau zu schauen, welche Strukturen und Netzwerke, aber auch Ideen und Visionen bei den Menschen vor Ort bereits existieren und wie diese in weiterentwickelt werden können.

    Voll im Trend

    Oft geht mit Sozialunternehmertum auch ein Zusammenspiel von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen einher: Unternehmen, Institutionen und natürlich die Zivilgesellschaft. Gemeinwohlorientierte Projekte und Entwicklungen sind in der Gesellschaft in den letzten Jahren stark in den Fokus gerückt, vor allem durch den steigenden Marktdruck. Zukunftsorte reihen sich in diese  Entwicklung ein.

    Gemeinwohlorientiertes Handeln in der Praxis

    Ein “klassischer” Schreinereibetrieb kann gemeinwohlorientiert agieren, indem er mit einer Schule zusammenarbeitet und gemeinsam mit Schüler*innen bauliche Projekte verwirklicht, oder nebenbei eine offene Werkstatt betreibt. An diesem Beispiel lässt sich die Bedeutung des gemeinwohlorientierten Handelns gut beschreiben. Die Schreinerei wird auch weiterhin größere Aufträge annehmen, die keinen hohen sozialen oder ökologischen Mehrwert haben. Möglicherweise dienen diese finanziell gut auskömmlichen Projekte dazu, Ressourcen freizuschaufeln, um soziale Projekte mittragen zu können. Vielleicht ermutigen sie ihre Kund*innen auch direkt, das gemeinwohlorientierte Angebot durch einen Aufpreis zu fördern.

     - Foto: Lena Heiß
    Ein Ding der Möglichkeiten

    über das Verhältnis von Profit und sozialer Verträglichkeit

    Derartige Strategien lassen sich sehr oft beobachten und können sowohl beim Aufbau als auch beim Betrieb eines Zukunftsortes eingesetzt werden. Mieteinnahmen, die beispielsweise über finanzstarke Unternehmen generiert werden, können die Grundfinanzierung sicherstellen und darüber auch „finanzschwachen”, aber sozial engagierten Gruppen den Zugang zu euren Räumen ermöglichen. Im Verlauf ihrer Entwicklung  versuchen die meisten Zukunftsorte, sich immer stärker  gemeinwohlorientierten Themen zu widmen. Das Knüpfen von Kontakten in der Region, in der Lokalpolitik oder auch das Verständnis für Förderprogramme unterstützt diesen Weg.

    So kommt es nicht selten zu Ausgründungen und unternehmerischen Umstrukturierungen: Meistens organisieren sich gemeinwohlorientierte Unternehmen als Verein oder als gemeinnützige GmbH (gGmbH). Manche agieren auch in hybriden Strukturen. Leider gibt es einige Förderprogramme, die Unternehmen mit Fokus auf Profitstreben bevorzugen und gemeinnützigen, anteilig hybriden, Organisationen die Förderung verwehren oder einen geringeren Fördersatz ermöglichen. In diesem Fall bietet sich zum Beispiel an, ein Crowdfunding zu starten. Neben Geldgebern finden sich so vielleicht weitere Menschen aus der Umgebung, die Lust haben, sich auch tatkräftig an der Weiterentwicklung des Projekts zu beteiligen.

    Ziel: Die passende Balance aus Kommerz und Kultur zu finden.

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    Annika Heinrichs / Gründerin & Vorstand
    Ein Ding der Möglichkeit

    Zusammen an Zukunftsorten arbeiten – was muss ich beachten?

     - Foto: Lena Heiß
    Ein Ding der Möglichkeiten

    Wie trefft ihr intern Entscheidungen? 

    Die Entwicklung eines Zukunftsorts ist realistisch betrachtet mit sehr viel Arbeit verbunden – und natürlich auch mir sehr viel Vorleistung. Je nach Gewerbe können sich in der Gruppe auch ganz unterschiedliche Verantwortungsgrade, Aufgaben und Rollenverteilungen ergeben. Abhängig von der Rechtsform sind unterschiedlich gewichtete Anteile an finanziellem Input und in der Verteilung der Entscheidungsgewalt möglich. Annika vom Zukunftsort Ein Ding der Möglichkeiten empfiehlt mit Nachdruck, am Anfang intensiv Supervision und Erwartungsmanagement in der Gruppe zu betreiben: Wie wollt ihr euer Geld ausgeben, mit welcher Mehrheit entscheidet ihr und wollt ihr (Privat-) Besitz ermöglichen oder nicht? Das kann spätere Machtverteilungskämpfe verhindern.

    Wer als (Teil-)Initiator*in, Angestellte*r oder als externe*r Investor*in in das Projekt einsteigt, identifiziert sich nochmal unterschiedlich mit der Idee, was zu einer ungleichen Bereitschaft, “Leiden” mitzutragen führen kann. Sobald der Betrieb anfängt sich zu etablieren, empfiehlt es sich auf jeden Fall, den Austausch in der Gruppe zu suchen. Vielleicht steigen manche aus ihrer zweiten Erwerbstätigkeit aus, schrauben ihr Ehrenamt runter und sehen den Betrieb immer mehr als vollständigen Lebensunterhalt an? Den Übergang von Ehrenamt zu profitabler Arbeit gilt es bewusst zu gestalten.Setzt euch nochmal zusammen, justiert eure Vision nach und schaut, ob noch alle gleich in das Projekt involviert sind oder sich (finanzielle) Ansprüche an die Arbeit vor Ort geändert haben. Seid selbstkritisch und ehrlich zu euch: sind im Team alle notwendigen Expertisen bestmöglich vereint? Oder bräuchte es an der ein oder anderen Stelle vielleicht jemanden mit Fachwissen? Es kann schmerzhaft sein, sich einzugestehen, dass nach all der Arbeit vielleicht nicht alle im Team optimal für das Gewerbe geeignet sind, aber oft macht diese Einsicht auch den Blick frei für neue Aufgaben, die vielleicht besser zu den Personen passen.

    Ich glaube, das ist auch das Gesunde daran, dass man das operative Hofmanagement abspaltet von diesen kreativen Influencern.

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    Zusammenarbeit und Unterstützung – und ihre Stolperfallen

    Mit der Ehrenamtlichkeit, eurer eigenen und auch der anderer helfender Hände, holt ihr euch mitunter so einige Konflikte ins Haus. Am Anfang, wenn jede*r für die Idee und das Projekt brennt, ist das meistens noch kein Problem und alle ziehen an einem Strang. Spätestens aber, wenn auf dem Weg der Professionalisierung einige Tätigkeiten entlohnt werden können, andere aber nicht, müsst ihr gut aufpassen. Schnell kommt dann die Frage auf: Warum bekommt der oder die ein Gehalt, während ich umsonst arbeiten muss? Gleiches kann passieren, wenn einige bereits vor Ort arbeiten und viel Zeit in den Umbau oder den Aufbau des Betriebs investieren, während andere noch ihrem gut bezahlten Job in der Stadt nachgehen. Ihr solltet also gute und transparente Strategien finden, wie man den Einsatz von denen, die vor Ort immer alles im Blick haben, wertschätzt und mittelfristig auch entlohnen kann. Zeit tracken ist dabei ein probates Mittel. Das hält zumindest die geleisteten Stunden fest und macht sie sichtbar. Man kann sich darauf einigen, Bemühungen anzustellen, die Betroffenen in der Zukunft zu entlohnen. Oder und/oder man entscheidet sich zu einem passenden Zeitpunkt gemeinsam entscheiden, einen “Schuldenschnitt” bei den angesammelten Stunden zu machen (das lässt sich auch in ein schönes Ritual einbinden) und sie symbolisch loszulassen.

    Die Mitstreiter*innen und Mitarbeiter*innen kommen vor allem zu Beginn oft aus dem Umfeld, aus dem Netzwerk. Nicht selten ergibt sich, dass jede*r ganz andere Aufgaben übernimmt, als er/sie sich jemals hätte vorstellen können. Lebt man dazu auch zusammen, ist das eine höchst komplexe Angelegenheit,
    denn man muss Arbeit und Privates trennen, muss den Umgang mit Konflikten im Arbeitsbereich aushalten und sich trotzdem sozusagen als Nachbar*innen oder Mitbewohner*innen in die Augen schauen können. Einerseits ist es schön, mit vertrauten Menschen zu arbeiten, es kann aber schwieriger sein, in kritischen Situationen seine Meinung zu vertreten und damit ggf. auch seiner Verantwortung gerecht zu werden. Dafür braucht es ein sehr reflektiertes Team mit guter Kommunikations- und Konfliktkultur.

    Wächst Euer Zukunftsort oder benötigt ihr bestimmte handwerkliche Leistungen, seid Ihr vielleicht auf die Dienste von anderen angewiesen. Doch auch das ist gar nicht so einfach: der aktuelle Fachkräftemangel ist überall spürbar. Die Krise auf dem Land ist größtenteils vorbei, auch in Ostdeutschland. Putzkräfte und Leute für den Servicebereich stehen nicht Schlange und auch der Schreiner hat meist volle Auftragsbücher. Behelfen kann man sich, vor allem auch um Kosten zu sparen und die Finanzierung zu stemmen, über Wwoofing, Residencies oder auch Freiwilligenarbeit. Aber gerade wenn es jemand mit besonderer Expertise sein soll, z.B. besonders gute Köch*innen oder andere Menschen, die ihr vor Ort braucht, kann das zum Problem werden: viele gut ausgebildete Arbeitnehmer*innen binden sich nicht mehr gerne lange und ziehen oft nach kurzer Zeit zum nächsten Arbeitsort weiter, der mehr Entwicklung oder Gestaltungsmöglichkeit verheißt.

    So müsst ihr gut bedenken, was ihr den Mitarbeiter*innen bieten könnt (und möchtet) um sie zum Bleiben zu bewegen. Eins ist sicher: gute Mitarbeiter*innen sind unbezahlbar.

     - Foto: Lena Heiß
    Gut Boltenhof

    Ein gutes Team aufbauen 

    Expert*innen zum Thema

    Folgende Personen haben bei diesem Beitrag mitgewirkt und teilen gern Ihre Erfahrungen rund um das Thema Gewerbe im Netzwerk Zukunftsorte.

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    Annika Heinrichs

    Gründerin & Vorstand

    Ein Ding der Möglichkeit
     - Photo: © Lena Heiß
    Julianne Becker

    Gründerin

    Coconat