Wie finden Sie die richtige Gruppe für Ihr Gebäude?

Interviewte: Christin Neujahr -
Was bringt das "Leerstandsmatching" unserer Stadt?

Auf dieser Seite

…erfahrt Ihr, wie Ihr eine direkte Vergabe oder ein mehrstufiges Verfahren, bspw. eine Konzeptvergabe an eine Gruppe gestalten können, und wie Ihr herausfindet, welches Konzept bzw. welche Gruppe am besten zu Euch, dem Gebäude und der Region passt.


Kurz gesagt

  • 1

    Vergabekriterien definieren

  • 2

    Entscheidung für direkte oder mehrstufige Vergabe

  • 3

    Testphasen durchlaufen, Konzept und Gruppe auswählen

  • Schritt 1: Eigene Kriterien definieren

    Zu Beginn des Prozesses geht es darum, Eure zuvor abgesteckten Vorstellungen und Ziele für das Gebäude konkret zu definieren und gezielte Auswahlkriterien aufzustellen.

    Folgende Fragestellungen helfen bei der Definition:

    • Welche Vorgaben zur Nutzung, zur (Um-) Gestaltung der Gebäude oder auch zur Zusammenarbeit mit Euch als Gemeinde bzw. Eigentümer*in wollt Ihr machen?

    • Wieviel Freiheit und Eigenregie wollt Ihr der Gruppe bei der Ausgestaltung ihrer Ideen geben?


    Tipp

    Der Großteil des tatsächlichen Umbaus kann am Ende auch bei der Gruppe liegen. Für Sie als Kommune oder Eigentümer*in geht es jetzt vor allem um die Chance der Mitbestimmung, bzw. der Vereinbarung von Leitplanken für die Entwicklung des Gebäudes.

    Sie entscheiden, ob Sie selbst ein Nutzungskonzept erstellen (ggf. im Rahmen eines partizipativen Prozesses und/ oder einem/r Architekt*in), oder nur einen groben Rahmen vorgeben und ganz verschiedene Ideen von möglichen Betreiber-Gruppen einholen möchten. Eine fundierte Bestandserhebung ist dabei jedoch immer sinnvoll, eventuell brauchen Sie zudem genauere Gutachten zu Baustoffen, Altlasten oder Denkmalschutz. Diese Aspekte sind besonders für die Kostenkalkulation - sowohl Ihre eigene, als auch die der Gruppen - relevant.

    Modellprojekt in Angermünde

    In Angermünde lag für eines der beiden Objekte bereits ein Verkaufsbeschluss vor, der zunächst über die Zustimmung des Ortsbeirates ausgesetzt werden musste. Es wurde dann gemeinsam, zwischen Stadtverwaltung, Ortsbeirat und Vertreter*innen des Netzwerkes, entschieden, den Verkaufsbeschluss für 1 Jahr zu pausieren und vollends außer Kraft zu setzen, wenn das Modellprojekt “Leerstandsmatching” gelingt. 
    Mehr zum Modellprojekt 

    Potenziale

    Schritt 2: Vergabeform festlegen

    Die Entscheidung für eine Vergabeform hängt davon ab, welche Rolle Ihr während der Vergabe und im späteren Betrieb einnehmen möchtet.

    Eine direkte Vergabe bietet sich an, wenn bereits zum Auftakt des Projektes ein bestimmter Partner oder Partnerin als Betreiber- oder Nutzer*in feststeht. Ganz zentral ist die Entscheidung, ob Ihr die Immobilie verkaufen, verpachten oder in ein gemeinschaftliches Eigentum überführen möchtet. Auch an diese Vergabeformen können Vorgaben zur Nutzung geknüpft werden.

    Das mehrstufige Konzeptvergabeverfahren öffnet den Raum zunächst einem möglichst großen Interessiertenkreis und organisiert dann über mehrere Schritte den Auswahlprozess. Auch bei dieser Vergabeform ist die Übertragungsform (Verkauf, Verpachtung oder geteilter Betreiberschaft) zu klären.



    Tipp

    Es ist sinnvoll, bereits vor der Ausschreibung Auswahlkriterien für die Vergabe festzusetzen. Das kann Ihre Entscheidung später untermauern und hilft, langwierige Zieldiskussionen bei der Auswahl zu vermeiden. Eine unabhängige Jury zu benennen kann dabei helfen.

    Symbiose aus Eigentümer*in und Nutzer*in

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     - Photo: © Stadt Luckenwalde
    Elisabeth Herzog von der Heide / Bürgermeisterin von Luckenwalde

    Manche Gruppen nehmen selbstständig Kontakt zu privaten Eigentümer*innen auf und initiieren so den Auftakt zum gemeinsamen Projekt. Aber auch Sie als Eigentümer*in können Ihre Immobilie mehr oder weniger formal ausschreiben und sie aus eigener Initiative für Gruppen zugänglich machen. Über die Kanäle Ihrer Gemeinde, über Stiftungen wie Trias oder Edith Maryon oder über Netzwerke und Plattformen können Sie einen Aufruf veröffentlichen. Sie können sich dann direkt für eine Gruppe und ein Konzept entscheiden oder auch selbst in einen längeren Auswahlprozess gehen.

    Der Eigentümer als Ermöglicher...

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    Hans van Leeuwen / Eigentümer

    Kühlhaus Görlitz

    Beispiel Interessensbekundung

    Hier sehen Sie, welche Informationen Angermünde in der Aufforderung zur Interessenbekundung abfragte in Bezug auf die Gruppe, das Konzept und soziale, finanzielle und rechtliche Komponenten.

     - Photo: Lena Heiss

    Drei grundlegende Vergabeformen im Überblick

    Bei der Direktvergabe können neben den Grundsätzen des “gerechten Wettbewerbs” keine weiteren Vergabevorschriften erhoben werden. Das bedeutet: es findet wenig Austausch zwischen Eigentümer*in und Betreiber*innen statt. Dennoch kann man in den Kaufvertrag Klauseln integrieren, die ein Wiederkaufsrecht der Kommune sichern. Auch der Rückfall des Gebäudes bei Nicht-Nutzung kann u.U. vertraglich geregelt werden.

    Die Vergabe erfolgt gewöhlich in Form einer öffentlichen Bekanntmachung bzw. Ausschreibung, wobei hier die Vergabekriterien und deren Gewichtung benannt werden. Bieter können darauf hin ein Angebot abgeben. Die Vergabe erfolgt meist an den höchst Bietenden. Zur Grundstücks- oder Bestandsentwicklung können Zielvorgaben im Kaufvertrag festgesetzt werden. Optional kann ein Planungswettbewerb vor- oder nachgeschaltet werden. Die Verkäufer*innen haben während und nach dem Prozess nur noch wenig Spielraum, Feinheiten über Nutzung und Sanierung mit abzustimmen.

    Auch hier beginnt der Prozess mit einer öffentlichen Ausschreibung der Immobilie. Die Vergabe erfolgt an den/die Bewerber*innen mit dem bestem Konzept. Vorab wurde ein Festpreis/ Kaufpreis festgelegt. Der Verkauf bzw. Veräußerung per Erbbaurecht hängt hier also nicht vom Höchstgebot ab, sondern von der Qualität des Konzeptes.

    Das Instrument der Anhandgabe eignet sich, um das Risiko des Baustillstandes oder eine nicht gewünschten Entwicklung zu minimieren. Den neuen Initiator*innen wird das Gebäude mit Grundstück vertraglich festgelegt vorerst für 1-2 Jahre übertragen. Danach kann bei erfolgreicher Entwicklung eine endgültige Besitzlösung ausgehandelt werden. Für die Gruppen bietet dieses Instrument den nötigen Zeithorizont, um sich und das Konzept zu entwickeln und z.B. Finanzielles zu klären.

    Das bedeutet: Eigentümer*innen haben während und – je nachdem, welche Vorkehrungen und Absprachen sie treffen – auch nach dem Vergabeprozess noch die Möglichkeit, an der Gestaltung des Gebäudes/ des Projektes mitzuwirken; dabei spielen das Vertrauen zur Projektgruppe und eine gute Kommunikation eine große Rolle. Bestimmte Ziele und Vorgaben können im Kauf- oder Pachtvertrag verankert werden. So auch das Rückkaufrecht der Kommune bei Weiterverkauf, wenn den Käufer*innen ein starker preislicher Nachlass gewährt wurde.

    Urteil des Bundesgerichtshof

    Gemeinden, die zur Förderung städtebaulicher Ziele Grundstücke verbilligt verkaufen, sind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, für eine vertragliche Absicherung des verfolgten – den verbilligten Grundstücksverkauf rechtfertigenden – Ziels Sorge zu tragen. Sie müssen insbesondere sicherstellen, dass die bevorzugten Käufer nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern. Vertragliche Regelungen, die – wie das hier in Rede stehende Wiederkaufsrecht der beklagten Stadt – entsprechende Bindungen begründen, schaffen mithin erst die (öffentlich-)rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands.

     - Photo: Lena Heiss
    Konzeptvergabe Workshop

    In diesem Workshop erarbeitete sich die Behörde von Angermünde das Grundwissen für den weiteren Prozess.

     | Photo: Lena Heiss
    Beispiel: Handout Konzeptvergabe Workshop

    Mögliche Schritte durch eine Konzeptvergabe

    Konzeptvergaben müssten verpflichtend für Kommunen sein.

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Sowohl die Verteiler von Netzwerken als auch lokale Nachrichtenkanäle eignen sich, um Ihre Immobilie bzw. Ihr Projekt zu veröffentlichen. Zunächst lediglich eine Interessensbekundung einzufordern, erleichtert Interessierten den Einstieg erheblich. Fragen Sie bspw. nach ungefährer Gruppengröße und -zusammensetzung sowie der grundsätzlich angestrebten Ausrichtung des Projektes. Zugleich sollten bereits jetzt die wichtigsten Kriterien / Bedingungen kommuniziert werden, die bei der Vergabe an eine Gruppe ausschlaggebend sind. Z.B. eine Mindestanzahl von Personen, oder der Aufbau von Gewerbe oder die Möglichkeit einer öffentlichen Nutzung.

    Eine Gruppe ist mehr Wert als 50.000 € im Jahr.

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Je nach Menge der Anfragen lohnt es sich, bereits vor dem ersten persönlichen Kennenlernen, diejenigen Interessent*innen auszufiltern, die gar nicht passen. Alle übrigen können Sie dann zu einer gemeinsamen Ortsbegehung einladen. Dort lernen sie alle Gruppen in lockerem Rahmen kennen und erfahren im Einzelgespräch mehr über Motivation, Pläne und Kompetenzen. Die Interessent*innen können sich ihrerseits die Immobilie genauer ansehen und gemeinsam und Vertreter*innen der Gemeinde kennenlernen und befragen.

    Für aufkommende Fragen der interessierten Gruppen können Sie entweder einen speziellen Termin oder ein*e konkrete*n Ansprechpartner*in und einen längeren Zeitraum angeben, um weitere Informationen zu teilen. Achten Sie jetzt besonders auf Transparenz und beantworten Sie alle aufkommenden Fragen immer für alle Interessenten gleichermaßen. Zu einem definierten Termin können die Gruppen erste Nutzungskonzepte einreichen.

    Wenn Sie die Kapazitäten oder Kontakte haben, können Sie mit den Gruppen, deren Konzepte Sie besonders interessieren, einen Vertiefungsworkshop durchführen und bspw. gemeinsam mit einer Architekt*in oder Bauexpert*in genauer auf die Bedingungen des Gebäudes eingehen. Auch besondere Bedarfe und Ziele der Stadt/Gemeinde können in dem Workshop diskutiert und ggf. eingearbeitet werden.

    Auf Grundlage der detaillierten Einsicht in Zustand und Aufbau der Immobilie sowie Kenntnis über das geplante Betreibermodell im späteren Verlauf, können die Gruppen detaillierte Nutzungskonzepte und einen Finanzierungsplan aufstellen.

    Tipp

    Mit mehr Erfahrung und einer guten Grundlagenarbeit können Sie den vorherigen Schritt auch überspringen und direkt Konzepte inkl. Finanzierungsplan einfordern. Wichtig für die Gruppen ist dann nur, einen detaillierten Einblick in den Zustand der Gebäude, auf sie zukommende Sanierungskosten und einen Überblick über den geplanten Projektverlauf zu haben.

    Auf Grundlage vorab festgelegter Auswahlkriterien wählen Sie nun eine Gruppe aus. Als Privateigentümer*in ist Ihnen die Entscheidung recht frei überlassen, sofern Sie das möchten. Für Kommunen bietet sich an, vorab eine Jury zu bestimmen und bspw. die Ortsvorsteher*innen mit einzubeziehen, um die Entscheidung gut begründen zu können.

    So haben wir die Nutzer*innen ausgewählt.

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Über eine temporäre Verpachtung oder Anhandgabe können Sie vor finalem Verkauf oder Verpachtung Ihre geplante Kooperation auf Herz und Nieren prüfen.

    Schritt 3: Interessen aushandeln

    Die Eckpfeiler des Projektes sind bereits abgesteckt, die Entscheidung für eine Gruppe ist gefallen. Jetzt geht es um die genaue Ausrichtung und Umsetzung des Konzeptes mit zwei grundlegenden Themen zur Aushandlung:

    • Wie kann das Konzept konkret umgesetzt werden, wo müssen die ersten Ideen ausgearbeitet, ergänzt oder auch neu gedacht werden?

    • Wie gestalten Sie die weitere Zusammenarbeit, wie verteilen Sie Entscheidungsrechte und wie organisieren Sie Abstimmungen?

    Machen Sie in jedem Fall den Aushandlungsprozess transparent - sowohl zwischen Ihnen und der Gruppe (oder mehreren), als auch für die Öffentlichkeit.

    Offenheit zahlt sich aus: neue Ressourcen und Zugänge für die Kommune

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    Frederik Bewer / ehemaliger Bürgermeister Stadt Angermünde

    Als private Eigentümer*in können Sie flexibler als Kommunen entscheiden, inwieweit Sie der Gruppe Unterstützung bieten und Einfluss auf das Nutzungskonzept oder das Betriebsmodell nehmen möchten - sofern Sie sich dagegen entscheiden, die Immobilie an die Gruppe zu verkaufen. Es geht jetzt also besonders darum, einen für Sie passenden Umgang mit Ihren zeitlichen und finanziellen Ressourcen zu finden. Bestimmen Sie das Maß zunächst für sich persönlich:

    • Ist Ihnen wichtiger, einen möglichst geringen Zeitaufwand (und ggf. auch finanzielles Risiko) mit dem Projekt zu haben, oder mehr über die Zukunft des Gebäudes und Ortes mitzubestimmen?

    • Welche Vorteile bringt die eine oder andere Variante für Sie mit sich?

    Führen Sie mit der Gruppe einen offenen Austausch darüber, wo Ihre Kompetenzen und Grenzen liegen. 

    Loslassen und Vertrauen

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    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Testphasen nutzen

    Testphasen und Zwischennutzungen bieten Ihnen die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteursgruppen zu testen, aber auch Einnahmen für Eigenmittel zu generieren. Im Rahmen von Testphasen, z.B. Testwohnen oder Raumstipendien, können Sie zukünftige Nutzergruppen aktivieren oder eigene Nutzungsszenarien testen.

    Tipp

    Versuchen Sie, dem Prozess und endgültigem Nutzungskonzept möglichst offen gegenüberzustehen!

    Relevante Werkzeuge zum Thema: