Kurz gesagt

  • 1

    Soziale statt finanzieller Rendite sehen

  • 2

    Eigene Rolle finden und Einfluss gestalten

  • 3

    Zeit nehmen zum Kennenlernen und Vertrauen aufbauen

  • Für Immobilienbesitzer*innen ist es vielleicht die größte Herausforderung, Alternativen zum Verkauf der Immobilie mit schnellem, möglichst großem Gewinn in Betracht zu ziehen – denn das Vorgehen nach der Gewinn-Logik ist gesellschaftlich anerkannt und wirft erstmal keine Fragen auf. Wie groß der gesellschaftliche Gewinn einer gemeinwohlorientierten Vorgehensweise hingegen sein kann, können Sie hier entdecken.

    Wenn der Entschluss zur gemeinwohlorientierten Entwicklung erstmal gefallen ist, gibt es zwar einige Hürden, jedoch sind diese für Privateigentümer*innen oft leichter zu nehmen, als für Kommunen. Dafür ist der Schritt des Loslassens der Immobilie eine Hürde, die besonders Eigentümer*innen mit emotionaler Bindung zum Gebäude schwer fallen kann.

    Loslassen können ist ein Muss

    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Wenn die berühmt-berüchtigten ‚paar Spinner‘ um die Ecke kommen, kann ich mir schon vorstellen, dass jemand, der noch keinen Kontakt mit gemeinwohlorientierten Themen hatte, die Immobilie lieber an einen ‚seriösen‘ und finanziell starken Investor verkauft. Es ist ein großes Hindernis, dass dieses Denken in den Köpfen der verkaufenden Menschen präsent ist.

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    Jörn Luft / Geschäftsstelle

    Stiftung trias

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    Im Kontakt mit Projekt-Macher*innen reift das Verständnis dafür, wie es mit der eigenen Immobilie klappen könnte. | Foto: Lena Heiß

    “Davon versteh ich nichts.”

    Für wen die Prozesse und Hintergründe einer gemeinwohlorientierten Entwicklung noch neu sind, der/die kann schnell das Gefühl bekommen, dem allein und hilflos gegenüber zu stehen. Da helfen gute Beispiele und die Erfahrung anderer.

    Ein erster Schritt kann demnach sein, sich Inspiration zu suchen und eine Idee dafür zu bekommen, was alles möglich ist. Suchen Sie Kontakt zu Macher*innen oder schauen sich verschiedene Projekte im Internet oder gleich vor Ort an. Im nächsten Schritt können Sie dann Ihre eigenen Ressourcen in den Blick nehmen. Zu jedem Schritt gibt es Informationen, Material und Unterstützer- und Partner*innen, die Sie gerne dabei unterstützen und beraten.

    Ich habe versucht, die Treuhand davon zu überzeugen, das Kühlhaus nicht übernehmen zu müssen, aber da ließ sich nichts machen. Da habe ich meine eigene Idee formuliert und war seither auf der Suche nach unüblichen Kombinationen von Wohnen und Arbeiten.

    Hans van Leeuwen / Eigentümer

    Kühlhaus Görlitz

    Hier finden Sie Inspiration und Unterstützung:

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    Spielend lernen im Kinder-Sommercamp? Ohne die Unterstützung der Eigentümergemeinschaft wäre das auf Gut Ziegenberg nicht möglich. | Foto: Jana Dünnhaupt

    “Ich hab ja nichts davon.”

    Ein grundlegendes Anliegen der gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung ist es, langfristigen statt kurzfristigen und sozialen statt finanziellen Mehrwert zu erzielen. Diese Sichtweise ist im Rahmen der Immobilienwirtschaft noch nicht allzu weit verbreitet, weshalb es an vielen Stellen noch an Wissen, Know How und Inspiration über die eigenen Möglichkeiten mangelt.

    Interviews mit aktiven Eigentümer*innen haben gezeigt: sie selbst ziehen viel aus ihrem Engagement: es geht ein großes Gefühl der (Selbst-) Wirksamkeit mit der gemeinwohlorientierten Entwicklung der eigenen Immobilie einher. Der Kontakt und Austausch im Ort und mit den kreativen Menschen des Projekts wird als ebenso wertvoll empfunden wie die Möglichkeit, durch die Entwicklung der eigenen Immobilie Einfluss auf die Gestaltung und Entwicklung der gesamten Region zu nehmen. In der kreativen Zusammenarbeit mit der Gruppe eröffnet sich auch für Sie der Gestaltungsspielraum, die Flächen (selber) nutzen und gestalten zu können, selbst wenn die eigenen Kompetenzen und Kapazitäten nicht ausreichen, um selbst, bzw. alleine, ein Projekt zu starten. Ihre Rolle innerhalb des Prozesses kann zudem auch die eines Mentors und Multiplikators sein – für viele deutlich erfüllender als die Rolle eines Immobilienverwalters.

    So können Sie den Prozess gestalten:

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    Das Gebäude behalten, während die Gruppe die Sanierung übernimmt? So kann es gehen. | Foto: Haus des Wandels

    “Da kann ich doch mehr Geld verdienen.”

    Unbekannte Prozesse, Zeitspannen und Risiken lassen Sie vielleicht davor zurückschrecken, neue Wege zu gehen. Denn eines ist klar: Die Abgabe von Nutzungsrechten an Gruppen oder Initiativen dauert oftmals länger, als an Privatpersonen oder Investor*innen zu verkaufen. Und vielleicht sind Sie auch auf Einnahmen durch Verkauf oder Vermietung angewiesen. Durch eine gemeinwohlorientierte Entwicklung können Sie ortsbildprägende Gebäude für die Nachbarschaft zugänglich machen und mit neuen Angeboten in Kunst und Kultur die Lebensqualität in der Gemeinde steigern. Über Wege der Kofinanzierung ist es bspw. möglich, die Instandhaltung der Gebäude an die Gruppe zu übergeben oder gestaltend mitwirken zu können, ohne vor Ort sein zu müssen.

    Ob Kommune im Vorkaufsrecht oder Privat-Verkäufer, alle möchten schnell zum Abschluss kommen und das können sich die wenigsten Initiativen leisten. Das heißt, da müssten Zeiträume oder Moratorien verhandelt werden.

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    Jörn Luft / Geschäftsstelle

    Stiftung trias

    Wichtig sind die Menschen, mit denen sie das zusammen umsetzen. Man muss Vertrauen haben zu den Pächtern bzw. den Partnern – da muss die Chemie stimmen, das ist in meinen Augen das A und O. Dann kann ich alles machen.

    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Soziale Rendite als Inspiration:

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    Da geht nichts mehr? Die Furnierhalle in Görlitz ist jetzt ein Ort für Jugend und Soziokultur. | Fotos: Sebastian Hettchen

    “Aus den Gebäuden lässt sich nichts mehr machen.”

    Wenn eine Immobilie schon viele Jahre leer steht, die Bausubstanz in schlechtem Zustand ist oder die Räume bspw. auf eine industrielle Nutzung zugeschnitten sind, fällt es oft schwer, sich vorzustellen, das Gebäude wieder nutzbar zu machen. Die ehemalige Geschäftsstelle der lokalen Bank, der aufgegebene Supermarkt oder das verlassene Betonwerk am Ortsrand – für all diese Orte gibt es bereits inspirierende Beispiele der Umnutzung. Viele Projektgruppen suchen heute gerade nach großen Gebäuden und Arealen, wo sich Aspekte des Wohnens, des (gemeinsamen) Arbeitens und Angebote an sozialen Räumen auf einem Gelände kombinieren lassen. Sie bringen Ideen und Tatkraft, oft breite Netzwerke an Unterstützer*innen und vor allem Durchhaltevermögen mit. Viele Sanierungsarbeiten erfolgen hier in Eigenleistung und Nutzungsangebote werden anfangs gerne durch niedrigschwellige Formate getestet. Das langsame und schrittweise Herantasten an eine mögliche Umnutzung verschafft allen Beteiligten ausreichend Zeit, das Gebäude mit all seinen Tücken kennenzulernen und ihr Konzept zu verfeinern und umzusetzen.

    Wenn wir das (historische Gebäude) erwerben könnten, könnten wir ein Stück Geschichte erhalten. Und nicht nur das – wir könnten eine Entwicklung für den Ort möglich machen, an die wir vorher nie gedacht hätten

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    Marco Beckendorf / Bürgermeister

    Wiesenburg/Mark

    Gute Alternativen und Beispiele

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    Typisch Gruppe: Stuhlkreis und endlos Plenum – Wahrheit oder Klischee? | Foto: Jörg Gläscher

    “Ich hab keine Zeit, mich mit einer Gruppe zu befassen”

    Sie sehen wahrscheinlich sowohl einen zeitlichen Horizont im Sinne der Langfristigkeit und Langwierigkeit des Prozesses und andererseits eine steigende Arbeitslast durch ganz neue Aufgaben auf Sie zukommen. Ohne die Prozesse zu kennen, ist es schwer abzuschätzen, wie Sie diese begegnen können. Klare Absprache mit der Projektgruppe und ein gutes rechtliches Konstrukt sind wichtig. Arbeitspakete, die Ihre eigenen Kompetenzen überschreiten, können Sie an Expert*innen oder sogar die Projektgruppe selbst abgeben. Es ist möglich, diese Pakete als Vergabebedingung festzuhalten.

    „Es geht nicht nur um Augenhöhe, sondern um Kooperation.“

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    Larisa Tsvetkova / Vorstandsmitglied

    Netzwerk Immovielien

    Netzwerke als Unterstützer

    “Ich habe zehn, 15 Jahren gebraucht, um die Leute zu finden. Und deswegen freue ich mich auch, dass wir jetzt auch über deine Initiative vernetzt sind. So, wir. Wir sind nicht alleine. Da sind noch viele anderen. Die sind auf der Suche. Und das ist, was ich genieße."

    Hans van Leeuwen, Eigentümer Kühlhaus Görlitz

    Alle Arbeiten, die vor Ort passieren müssen, wie bspw. Verkehrssicherung oder Unkrautbekämpfung, haben wir der Gruppe wenn man so will auf’s Auge gedrückt – einfach weil sie vor Ort sind und wir nicht. Verglichen mit der Gruppe vor Ort haben wir als Eigentümer deutlich weniger Aufwand.

    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    So können Sie Kosten und Aufwand durch gute Kooperationen teilen:

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    In Prädikow hat die Gruppe aus einer muffigen Scheune einen schicken Begegnungsort gemacht. | Foto: Adam Naparty

    "Wer weiß, was sie dann daraus machen”

    Manchen Immobilienbesitzer*innen fällt der Verkauf der Immobilie emotional schwer. Vielleicht sind die Gebäude bereits seit Generationen im Familienbesitz gewesen und ihre Vorfahren haben bereits eine Menge Zeit, Geld und Energie in die Gebäude investiert. Wer jedoch nicht selbst vor Ort lebt, investiert eine Menge in die reine Instandhaltung der Gebäude, ohne sie auch tatsächlich selbst zu nutzen und zu erleben. Gerade dann bietet sich die ko-kreative Entwicklung der Gebäude mit einer Gruppe an. Sie können Einfluss auf die spätere Nutzung und Umgestaltung der Immobilie nehmen und gleichzeitig den eigenen Aufwand der Instandhaltung reduzieren.

    Engagement vor Ort überzeugt

    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    So können Sie Mitbestimmung beibehalten:

    “Am Ende springt mir die Gruppe plötzlich ab und ich bin ruiniert.”

    Sind viele beteiligt, besteht immer die Möglichkeit für Uneinigkeiten und Konfliktsituationen. Als Eigentümer*in müssen Sie aber nicht das volle Risiko für das Gelingen des Projektes tragen. Eine Absicherung für beide Seiten zu finden, ist wichtig. Generell gilt, die eigenen Ressourcen und Grenzen zu kennen und zu wissen, wann Sie die Notbremse ziehen müssen. Was aber oft als gegenseitige Abhängigkeit beschrieben wird, kann genauso auch als gegenseitige Absicherung empfunden werden. Finden Sie einen Weg, sich gegenseitig Vertrauen entgegen zu bringen und gleichzeitig beide auch Verantwortung im Falle des Scheiterns zu tragen. Eine Anhandgabe oder ein befristeter Pachtvertrag können als rechtlicher Rahmen ein Kennenlernen und Einschätzen ermöglichen, während die weitere Bedingungen der Zusammenarbeit entwickelt werden.

    Die rosarote Brille brauche ich, um anzufangen. Aber bei allen Verträgen, die ich abschließe, muss ich auch im Hinterkopf haben, wie ich damit umgehe, wenn etwas schiefgeht - und wie wir alle dann heil und fair wieder da raus kommen.

    Erbengemeinschaft /

    Gut Ziegenberg

    Es gibt Wege, sich gegenseitig abzusichern

    “Und dann bin ich Schuld, wenn sich die Gruppe hier nicht richtig integriert.”

    Die Gefahr der Gentrifizierung ist auch Sie als Eigentümer*innen ein Thema. Oft bringen Impulsprojekte heute eine starke mediale Präsenz mit in den Ort und ziehen die lokale, aber auch überregionale Aufmerksamkeit auf sich. Für einzelne Figuren oder die gesamte Kommune hat das viele Vorteile. Es empfiehlt sich, darauf zu achten, dass auch lokal ansässige Vereine und Initiativen dabei nicht zu kurz kommen. Fragen Sie bei der Gruppe daher frühzeitig konkrete Ansätze zur Beteiligung der Bevölkerung ab. Ihr Spielraum reicht soweit, dass Sie die Integration in den Ort und die Beteiligung als Vergabekriterien festsetzen können.